»Hitler – Buddha – Krishna«
Eine kritische Betrachtung des neuen Buches von Victor und Victoria Trimondi
Karl-Heinz Golzio
Universität Bonn
Indologisches Seminar
Trimondi, Victor und Victoria »Hitler, Buddha, Krishna. Eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute.« Wien: Ueberreuter 2002. 639 S.
Würde man diesen Buchtitel einem Leser präsentieren, der über die Zeitstellung der hier angeführten Personen überhaupt nichts weiß, müßte er den Eindruck gewinnen, es handele sich bei ihnen um Zeitgenossen, die in einer bestimmten historischen Epoche (dem »Dritten Reich«) eine Allianz (und zwar eine unheilige) eingegangen sind, deren Nachwirkungen noch bis heute zu verspüren sind. Nun ist die Bezeichnung »unheilige Allianz« immer wieder verwendet worden, und im Zusammenhang mit Hitler häufig in Bezug auf seinen Nichtangriffspakt mit Stalin, d. h. einem tatsächlichen Zeitgenossen. So ist bereits »Allianz« ein sprachlicher Mißgriff, denn was das Autorenpaar hier tatsächlich zum Ausdruck bringen will, ist die Tatsache, daß sich eine Reihe von Nationalsozialisten, ihr Umfeld und ihre Epigonen auf in Indien entstandene Religionen wie den Buddhismus und die Verehrung des Gottes Krishna berufen: sie sahen in ihnen Vorläufer ihrer eigenen Weltanschauung und stellten dabei spezifische Aspekte (vermeintliche und tatsächliche) heraus. Im Hinblick auf die ideologisch verzerrte Sichtweise dieser im Laufe der Jahrhunderte selbst mannigfaltigen Wandlungen unterworfenen Religionen verspricht das Buch, einige interessante Einblicke zu vermitteln. Es wird u.a. dadurch deutlich, wie die Nazi-Ideologen diese Religionen als »arisch« deklarierten und in ihnen militärisch organisierte, mehr oder wenige geheime Orden sahen. Die Autoren möchten darüber hinaus auch noch zeigen, daß diese Religionen (oder zumindest bestimmte Strömungen in ihnen) selbst von ihrer Grundstruktur militaristisch waren (und sind) und die Begeisterung des rechten Spektrums nicht von ungefähr kam. Darauf wird noch näher einzugehen sein.
Zunächst sei einmal hervorgehoben, daß das Werk wieder den Eindruck einer ungeheuren Fleißarbeit vermittelt und scheinbar alle in ihm zu findenden Behauptungen durch Quellennachweise abgesichert sind. Dieser Eindruck verflüchtigt sich aber bald, wenn man einige Behauptungen hinterfragt und auch mit der genannten Quelle vergleicht. Das beginnt bereits recht früh (S. 25) mit einem gar nicht ideologisch umstrittenen Sachverhalt, sondern schlicht mit einer historischen Unmöglichkeit, bei der sich das Autorenpaar auf den Autor Heinz Höhne (Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS, Augsburg 1995, S. 141) beruft, der dies so aber gar nicht gesagt hat: vielmehr haben die Trimondis hier zwei unterschiedliche Fakten miteinander vermischt, nur weil es in beiden Fällen um Sachsen ging. Höhne berichtet einerseits, daß Himmler den Sachsenkönig (besser: den sächsischen König) Heinrich I. sehr verehrt habe, weil dieser die Slawen besiegte, und gibt auch dessen Lebensdaten (ca. 876–936) an, die von den Trimondis ebenfalls (als 875–936) übernommen werden. Wenige Zeilen zuvor war er auf das Blutbad Karls des Großen unter den Sachsen eingegangen, ohne hier dessen Lebens- oder Regierungsdaten zu nennen (742/43–814 bzw. 768–814). Daraus konstruierten die Trimondis dann, Karl der Große sei der Gegenspieler von Heinrich I. gewesen. Ein Blick in jedes halbwegs gute Geschichtsbuch hätte ihnen aber zeigen müssen, daß a) die beiden Herrschaften keine Zeitgenossen waren und b) Karls sächsischer Gegenspieler Widukind hieß. Dieses Beispiel ist aber signifikant dafür, daß den Trimondis auch nur oberflächliche Geschichtskenntnisse (selbst Mitteleuropas) fremd sind und man mit weiteren Ausfallerscheinungen dieser Art rechnen muß; zum anderen zeigt es aber auch, daß selbst die einfache Berufung auf eine Quelle (unabhängig von deren Wahrheitsgehalt) keine Garantie dafür ist, daß die Verfasser diese auch richtig wiedergegeben haben. Da ein Rezensent unmöglich allen Quellenangaben nachgehen kann, ist eine solche Vorgehensweise auch bei anderen Angaben zu befürchten, was zumindest stichprobenartig noch weiter belegt werden soll.
Nun muß man den Autoren andererseits zubilligen, daß sie nach allen Äußerungen nationalsozialistischer Größen, insbesondere Himmlers, gefahndet haben, die Belege für deren krudes Weltbild bieten, einer Mischung aus Rassismus (der sich zumeist auf religiöse Texte unterschiedlicher Herkunft beruft), Okkultismus, Mythologismus und Geschichtsklitterung. Dies zeigt aber auch, wie gefährlich die Halbbildung politischer Extremisten ist, die mit ihrer unverdauten und beliebig zusammengestellten Kenntnis gewisser Sachverhalte einer in dieser Hinsicht völlig ungebildeten Masse (die sich damals wie heute zumeist leider nur im Sport, nicht aber in viel wichtigeren Dingen auskennt) eine eindimensionale Weltdeutung serviert. Zum Beispiel spricht ein hier aufgegriffenes Zitat von Himmlers Sekretär Rudolf Brandt für sich, wenn unter den Hauptwerken, die Himmler als Basis dienten, »… die Veden, die Rigveden, …« genannt werden, was aus dem Rigveda, der ältesten der vier vedischen Hymnen (»die Veden«) eine von diesen gesonderte Gruppe von Texten macht. Es ist zwar dankenswert, daß die Trimondis in einer Fußnote den hier auch genannten Visuddhimagga richtig schreiben (Brandt: Visudi-magga) und den Text charakterisieren (sein Verfasser heißt allerdings Buddhaghosa und nicht Buddhagosa), aber hier hätte sich Gelegenheit geboten, auf den steinbruchartigen Umgang gewisser Nazigrössen mit den Texten hinzuweisen. So aber entsteht der ungute Eindruck, diese hätten tatsächlich ein echtes Verständnis der von ihnen benutzten Schriften besessen und seien in der Tat deren Vollstrecker.
Es ist überhaupt einer der großen Mängel dieses Buches, daß es nicht klar zwischen dem, was führende Nazis selbst unter indo-arischer, vedischer und buddhistischer Religion verstanden und daraus dann »arische Weltanschauungen« machten, und den tatsächlichen Lehren unterscheiden. Vor allem billigen die Autoren dem Indologen und Kurator des SS-Ahnenerbes, Walter Wüst (1909–1993) nicht nur ein profundes Wissen in seinem Fachgebiet zu (was gar nicht bestritten werden soll), sondern auch die richtige Interpretation der von ihm (und seinen Gesinnungsgenossen) vorgestellten Lehren, die teilweise dermassen umgebogen und mit völkischem Gedankengut gedüngt wurden, daß man die ursprünglichen Lehren kaum wiedererkennt.
Dies soll an einigen Beispielen belegt werden, was sich deswegen als notwendig erweist, weil die Trimondis bisweilen den Eindruck erwecken, sie stellten nur die sich auf indische Religionen beziehenden Nazi-Ideologien vor, bis dann der Satz fällt, daß »ein arisches Nazi-Deutschland dann wesentlich von vedisch-buddhistischen [!] Ideen geprägt worden (wäre)« (S. 59). Allein schon das Begriffspaar »vedisch-buddhistisch« paßt nicht zusammen, denn der historische Buddha und seine Anhängerschaft lehnten die gesamte vedische Tradition und ihr Schrifttum ab. Es mag ja durchaus sein, daß solche Feinheiten für die von »Ariertum« und der »Weisheit Indiens« trunkenen NS-Ideologen keine Rolle spielten, aber die Autoren des vorliegenden Buches hätten schon an solchen Mixturen merken müssen, daß man sich hier keinesfalls immer auf authentische Lehren bezog. Damit soll andererseits aber auch nicht behauptet werden, daß alle aus Indien entlehnten Vorstellungen völlig verzerrt wurden. Dazu hätte es aber einer akribischen Untersuchung und Unterscheidung bedurft, was weit über das Sammeln von entsprechenden Zitaten von Nazis hätte hinausführen müssen.
So ist etwa die Behauptung Haisers, die Kshatriyas, die Kriegerkaste Indiens, habe Krieg zum Selbstzweck (also Krieg um des Krieges willen) geführt (S. 30), völlig aus der Luft gegriffen, denn das Arthashastra, das altindische Lehrbuch der Politik (Endredaktion 3. Jh. n. Chr.), empfiehlt zur Durchsetzung der Machtinteressen eines Herrschers alle mögliche Kniffe, notfalls auch den Krieg, aber nie als Selbstzweck. Auch der Krishna der Bhagavadgita fordert den Arjuna nur auf, seiner Kriegerpflicht in einem Krieg (dem im Mahabharata geschilderten) nachzukommen, der aus einem Machtkonflikt erwachsen ist, und nicht etwa, wie dies ständig insinuiert wird, um jeden Preis einen Krieg vom Zaun zu brechen.
Hier werden auch die Argumente der beiden Dialogpartner Arjuna und Krishna nicht immer im richtigen Kontext gesehen: wenn die Trimondis z. B. auf Seite 352 aus der Bhagavadgita zitieren lassen (»Aus der Korruption der Frauen entsteht die Vermischung der Kasten und der Verlust der Erinnerung; aus dem Verlust der Erinnerung der Mangel an Verständnis und daraus alles Übel«), so handelt es sich hierbei um eine unvollkommene Übersetzung von I, 41–43 (»Infolge des Eindringens der Gesetzlosigkeit werden, o Krishna, die Frauen der Familien verdorben; wenn die Frauen verdorben sind, entsteht Vermischung der Kasten, …« usw.).
Was nicht gesagt wird: als Gipfel dieser unheilvollen Zustände betrachtet Arjuna das Töten der Verwandten, doch wird ihm dies von Krishna ausgeredet, der all diese Klagen als bedeutungslos ansieht, also gar nicht auf die beschworenen Übel, darunter die von den Nazis so gern zitierte Kastenmischung, eingeht.
Auch in Bezug auf das Kastensystem ist viel spintisiert worden: es ist unbestritten die Festschreibung der sozialen, religiösen und wirtschaftlichen Ungleichheit, aber selbst diese war unter Umständen durchlässig, und zwar nach beiden Richtungen, und orientierte sich keinesfalls unter primär rassischen Gesichtspunkten. Und wenn ein Lanz von Liebenfels völlig falsch die Shudras zu Outcastes macht und die Candalas (»Tschandalen«) über sie stellt (sich dabei angeblich auf das Gesetzbuch des Manu berufend), die diejenigen sind, die außerhalb des Kastensystems angesiedelt werden, dann ist das nur ein weiteres Beispiel für das »Wissen« von Leuten seiner Couleur. Es versteht sich beinahe von selbst, daß die Trimondis dies nicht richtiggestellt haben, vermutlich, weil sie es selbst auch nicht besser wissen.
Geradezu hanebüchen ist die Behauptung, Himmler habe sich durch den Roman Der Pilger Kamanita von Karl Gjellerup »eine gute Vertrautheit mit der buddhistischen Weltsicht« verschaffen können, denn dort wird unterstellt, daß »für den Buddhismus so wichtige Thema des Nicht-Verhaftet-Seins« diene auch als Rechtfertigung für »Verbrechen und das Töten von Menschen«. Wie die Autoren aber an anderer Stelle (S. 514) ganz richtig hervorheben, gehört das Tötungsverbot sowohl für Ordensmitglieder als auch für Laien zu den Grundpfeilern der Lehre des historischen Buddha. Andererseits wären sie gut beraten gewesen, die Buddhabiographie von Hermann Oldenberg (1854–1920) tatsächlich zu lesen, statt diesen Autor unter dem falschen Vornamen Serge in einer Fußnote (Nr. 44 auf S. 550) bloß zu nennen: hier ist ihnen wohl der Zettelkasten durcheinandergeraten, denn sie verwechseln ihn offensichtlich mit dem russischen Mongolisten Sergej F. Ol'denburg (1867–1934). In Oldenbergs Buddha. Sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde (1. Auflage 1881, S. 12) finden sich nämlich bereits lange vor den Nazis rassistisch gefärbte Anschauungen, ebenso in seiner Die Religion des Veda (1917; S. 2): »In der üppigen Stille ihres neuen Heimatlandes haben jene Arier, die Brüder der vornehmsten Nationen Europas, mit der dunklen Urbevölkerung Indiens sich vermischend, immer mehr die Charakterzüge des Hinduismus angenommen, erschlafft durch das Klima, dem sich ihr Typ, in gemäßigten Zonen ausgeprägt, nicht ohne schwere Schädigung anzupassen imstande war …«
Dennoch muß positiv hervorgehoben werden, daß die Autoren die teilweise stark divergierenden Anschaungen jener NS-Größen, die aus dem Nationalsozialismus auch eine »politische Religion« machen wollten, ausführlich dargestellt haben und ein bezeichnendes Licht auf deren Geisteshaltung werfen. Problematisch ist jedoch der Versuch, eine Geistesverwandtschaft zwischen der Geisteskultur Altindiens und den Nazis nachweisen zu wollen. Wenn in diesem Zusammenhang Walther Wüst »fundierte Kenntnis der Originalschriften« bescheinigt wird, so verrät doch der Satz, daß Wüst auch Goethe und Buddha in eine »arische Verwandtschaft zwang [Hervorhebung des Rezensenten]«, wie willkürlich konstruiert das ganze Gebäude bisweilen auch den Autoren erschien. Es ist aber nicht immer klar, inwieweit sie den Aussagen von Wissenschaftlern, insbesondere den Indologen Walther Wüst und Jakob Wilhelm Hauer, Glauben schenken, so z. B. wenn Wüst über den cakravartin, den indischen »Weltenherrscher«, monologisiert, wenngleich das immer wieder eingeschobene »– so Wüst –« einen eher vorsichtigen Umgang nahelegt, zumal die Autoren gar nicht in der Lage sind, die Stimmigkeit der getroffenen Behauptungen zu überprüfen. Ein Beispiel: angeblich wurde der indische König Ashoka (reg. ca. 268 – nach 240 v. Chr.) als cakravartin verehrt, aber dieser Begriff taucht in keiner seiner Inschriften auf; und daß er sich »am Schlusse seines Lebens weltflüchtig von den Regierungsgeschäften zurück(zog) – wie weiland Karl V.«, geht auf die falsche Übersetzung von samghe upete als »seit ich in den Orden eingetreten bin« statt richtig »seit ich den Orden besucht habe« im Kleinen Felsedikt I zurück.
Bedenklich wird es immer dann, wenn die Autoren geradezu begierig die Etikettierung ihrer rechten Autoren aufgreifen, so den faschistisch umgedeuteten Kshatriya-Begriff eines Giulio Evola, der ganz und gar auf die gebetsmühlenartig immer wieder zitierte Bhagavadgita fokussiert ist, so als habe es im alten Indien nicht zuhauf andere Belegstellen (zumal in Inschriften) gegeben, die stark an das europäische Lehenswesen erinnern, einschließlich der Rebellionen gegen den Oberherrn, die den Appell Krishnas zur bedingungslosen Treue verständlich macht.
Überhaupt erweisen sich diese »Experten in östlicher Weisheit« nur mit einem Schmalspurwissen ausgestattet, das willkürlich Entwicklungen in der indischen Geschichte ausblendet bzw. diese gar nicht erst kennt. Wenn die Trimondis etwa im Zusammenhang mit den vier Weltzeitaltern von »traditioneller indischer Weltsicht« (S. 243) sprechen, so muß zuerst einmal klar gestellt werden, daß diese Vorstellung nicht zu den ganz alten gehört, sondern erst kurz vor der Zeitenwende entwickelt und in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten ausformuliert wurde. Hauptsächlich in den Puranas (man läßt hier Evola das Vishnupurana zitieren) kommt zum Ausdruck, daß das schlechteste Zeitalter (das Kaliyuga) angebrochen sei, gekennzeichnet unter anderem durch den Zerfall der Kastenordnung und die »Herrschaft der Sklavengeschlechter«. Nicht erwähnt wird, daß dazu auch der Einbruch von Barbarenvölkern (darunter die Griechen) und der Aufstieg nichtbrahmanischer Religionen (darunter der Buddhismus) zu dessen negativen Merkmalen zählen. Und was diesen »Experten« überhaupt nicht bekannt ist: ab dem 4. Jh. n. Chr. (d.h. nach einer Konsolidierungsphase) rühmten sich zahlreiche Könige, das goldene Zeitalter (das Krita- oder Satya-Yuga) wiederhergestellt zu haben. Hätte Evola sich auf das abendländische Pendant, das »eherne Zeitalter« der griechisch-römischen Antike berufen, so wären den in diesem Kulturkreis Aufgewachsenen sofort bewußt gewesen, daß er hier eine lang entschwundene Vergangenheit zitiert hätte.
Die Besprechung eines jeden Punktes würde den hier zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen, doch seien abschliessend noch einige Bemerkungen zum Shambhala-Mythos und zum XIV. Dalai Lama gemacht. Die Trimondis haben zwar Recht, wenn sie diese im Kalacakra-Tantra befindliche Geschichte als eine Art apokalyptischen Endzeitkrieg charakterisieren; und sie haben ebenso das Recht, den Dalai Lama zu fragen, warum er sich ausgerechnet immer wieder auf diesen Text bezieht. Gerade in diesem Zusammenhang erscheinen auch solche Gestalten wie Chögyam Trungpa und der Wikinger-Buddhist Ole Nydahl mehr als fragwürdig, und auch der Buddhokratie eines Robert Thurman sollte man eher distanziert gegenüberstehen. Andererseits sind aber Kalacakra-Initiationen, in denen der Weltfrieden beschworen wird, als Einschwörung auf den Krieg denkbar ungeeignet, wenn man nicht an die Kraft irgendwelcher magischen Wirkungen glaubt. Es soll gar nicht bestritten werden, daß die Rechtfertigung der Tötung von Menschen unter bestimmten Umständen (»wenn diese sich anschicken, abscheuliche und unheilvolle Handlungen zu begehen, von denen sie mit anderen Mitteln nicht abzuhalten sind«; s. S. 507), problematisch ist, zumal der historische Buddha dies als eine Verfehlung ansah, die den unweigerlichen Ausschluß aus dem Orden nach sich zog. Aber wie auch in vielen anderen Religionen wurde im tibetischen Buddhismus das Recht eingeräumt, einem Unheil notfalls durch Tötung des Verursachers zu begegnen. Wenn etwa im Christentum dies unter dem Aspekt des Widerstandsrechtes erlaubt wird, wird man deshalb nicht die gesamte christliche Lehre als primär kriegerisch charakterisieren. Die Gefahr, daß Militante (und zwar in allen Religionen) dies in diesem Sinne interpretieren, ist natürlich immer gegeben. Letztlich ist es aber infam, wenn im unmittelbaren Anschluß an diese vom XIV. Dalai Lama getroffene Aussage Shoko Asahara zitiert wird, der im Namen des Buddha zum Massenmord aufruft, da dadurch insinuiert wird, dies gehe ursächlich auf den gegenwärtigen Dalai Lama zurück. Den positiven Nachweis, daß dieser selbst einen ähnlichen Aufruf erlassen hat, müssen die Trimondis schuldig bleiben. Sie haben mit dem Kalacakra-Tantra allerdings den Finger in eine Wunde gelegt, denn innerhalb des Christentums würden Gruppen, die sehr stark auf die Apokalypse und damit die Endzeitabrechnung rekurrieren, als suspekt betrachtet, auch wenn sie nicht konkret zur persönlichen Teilnahme an diesem Endgericht aufrufen. Niemand hat allerdings das Ansinnen gestellt, die Apokalypse aus dem Kanon der christlichen Schriften herauszunehmen, obwohl auch hier den Feinden des Glaubens Fürchterliches angedroht wird. Daher sollte auch die Bezugnahme auf die Shambhala-Krieger in der Mongolei in den 20er Jahren des 20. Jhs. nicht zur Überinterpretation verleiten, denn wurde nicht hierzulande im Namen des Erzengels Michael oder später für »Gott, Kaiser und Vaterland« ins Feld gezogen?
Man muß es ganz nüchtern sehen: Hitler ist nicht durch Bezugnahme auf Mythen und durch Rituale (die zugegebenermaßen eine gewisse Rolle spielten) an die Macht gekommen, sondern durch die Propagierung und Durchsetzung seiner radikal-rassistischen Weltanschauung in einer historisch bedingten Krisensituation. Und dabei bediente er sich offensichtlich nicht einer Ritual- oder Metapolitik, sondern der Gewalt und des Stimmzettels, ohne seine Absichten großartig zu verschleiern, wie dies dem XIV. Dalai Lama unterstellt wird, der angeblich nach außen vom Frieden spricht und durch ständiges Beschwören des Kalacakra-Tantra Kriegsvorbereitungen trifft. Ein solches Vorgehen ist aber denkbar ungeeignet, um die Kriegskolonnen zu mobilisieren! Es wäre darüber hinaus in der Tat wünschenswert, wenn sich der XIV. Dalai Lama eindeutig von »Buddhisten im Kriegsrock« wie Chögyam Trungpa, Shoko Asahara und Ole Nydahl und deren Aussagen distanzieren würde. Mag man auch die vielen Schreckensgestalten im tibetisch-buddhistischen Pantheon von einer philosophischen Warte als Imaginationen deuten, so läßt sich deren häufig grausiger Aspekt in Wort und Bild deshalb nicht einfach wegwischen, so als habe er keinen oder sogar ausschließlich heilsbefördernden Effekt. Schon Günther Schulemann hat in seinem Werk Die Geschichte der Dalai Lamas (Leipzig 1958) im Hinblick auf die Konfrontation des 1874 achtzehnjährigen XII. Dalai Lamas mit den grausigen Abbildungen von Schutzgottheiten und zornigen Göttern beim Besuch des Klosters Chorkhorgyal beim mystischen See Lamoi Latso darauf hingewiesen, daß dies womöglich die instabile Psyche des jungen Mannes noch mehr schädigte. Dabei darf aber nie vergessen werden, daß das religiöse Weltbild des christlichen Abendlandes noch weit bis ins 17. Jahrhundert von Dämonen, Hexen und Zauberern bevölkert war, die entsprechend drastisch bekämpft wurden.
So bleibt der Gesamteindruck von diesem Werk sehr zwiespältig. Zum einen enthält es eine überaus umfangreiche Materialsammlung über solche rechtsextremen Anschauungen, die ihre Vorbilder in der indischen (und tibetischen) Religionswelt suchten und suchen, zum anderen ist hier aber die starke Tendenz der Autoren zu erkennen nachzuweisen, die Nazis und ihre Epigonen hätten hier tatsächlich die authentischen Vorbilder für ihre eigene Ideologie gefunden (wobei es in Einzelfällen durchaus Berührungspunkte gibt). Hier wurden viel zu oft Fehlurteile gefällt, denn sowohl die rechtsextreme Szene als auch die Trimondis verabsolutieren ihre aus einer kleinen Auswahl von Texten gewonnene Weltsicht; bei diesen Texten handelt es sich um solche, die zumeist schon am Beginn des 20. Jhs. in eine westliche Sprache übersetzt waren und daher als repräsentativ für das indische Denken betrachtet wurden. Außerdem bekämpfen die Trimondis mit Vehemenz ein verklärendes Tibetbild (à la Thurman), und auch der Rezensent ist mit vielen anderen der Meinung, daß gewisse Darstellungen von einer reinen Idylle fehl am Platze sind. Statt zu einer nüchternen Betrachtungsweise entschließen sich die Autoren dann aber zu einer Dämonisierung des Landes, das für sie über die Geographie hinaus der Inbegriff des »Phantasmatischen« ist. ■