Dorje Shugden Übersicht - Quelle: Tibet Focus
Archivierte Reaktionen auf eine fünfteilige Serie von Kurzbeiträgen des Schweizer Fernsehens DRS (SF 1) vom 5. bis 9. Januar 1998 in der Sendung »10 vor 10« unter dem Titel »Bruderzwist unter Tibetern«
Einleitung
Hauptsächlich durch die Aktivitäten der Western Shugden Society kommt im Jahre 2008/2009 Teil 1 eines TV Beitrages des Schweizer Fernsehens zur Shugden Kontroverse im Internet zu weiter Verbreitung. Offensichtlich in Unkenntnis der kontroversen Reaktionen in der Schweiz verwendet auch das Magazin STERN diesen 10 Jahre alten Beitrag im Juli 2009 als Argument für eine Titelgeschichte zum Dalai Lama, „Die zwei Gesichter des Dalai Lama – Der sanfte Tibeter und sein undemokratisches Regime“. (siehe Korrekturen und Reflexionen zum Stern-Artikel)
Die Reaktionen in der Schweiz auf diese Sendungen zwangen das Schweizer Fernsehen im selben Jahr, 1998, sich selbst zu korrigieren. Die Journalisten Ursula K. Rathgeb und Andreas Bänziger schrieben im Schweizer Tages-Anzeiger am 23.03.1998 folgendes:
»10 vor 10« auf den Spuren tibetischer Geister
Das Schweizer Fernsehen hat mit einer unbedarften Serie über den tibetischen Geist und den Dalai Lama eine heftige Kontroverse ausgelöst.
Seit Januar 1998, seit das Nachrichtenmagazin »10 vor 10« des Schweizer Fernsehens in einer fünfteiligen Serie zum Frontalangriff auf den Dalai Lama blies, übt sich »10 vor 10«-Chef Christoph Müller im Briefeschreiben. Die Sendung löste eine Welle von Publikumsreaktionen aus, die Müller zu beantworten hatte. Offensichtlich hat das Fernsehen in ein Wespennest gestochen. Besonders die tibetische Exilgemeinde, aber auch Tibetexperten reagierten mit hellem Entsetzen.
Da machte sich jemand anheischig, jenseits der gerade modischen Tibetfilme aus den Hollywood-Traumfabriken Echtes, nämlich harte Fakten über einen Bruderzwist unter den Tibetern, zu versprechen, »den ausgerechnet der Dalai Lama angezettelt hat, indem er eine bis anhin hochverehrte Schutzgottheit kurzerhand verbot«. Ist der angeblich so tolerante Dalai Lama heimlich ein Unterdrücker der Religionsfreiheit? »Die Moderation ist natürlich ein Versuch, das Thema interessant zu machen, das ist klar, wie eine Schlagzeile«, kommentiert Christoph Müller.
Aber es kommt noch besser. Da man befürchten muss, dass vom Schweizer Publikum kaum jemand von dieser Schutzgottheit schon gehört hat, baut die Moderatorin flugs ein Brücklein über den kulturellen Graben: »Das wäre, wie wenn der Papst den Marienkult verbieten sollte.« Dazu meint nun auch Müller: »Also der Jungfrau-Maria-Vergleich war daneben. Es war ein unglücklicher Versuch, eine Analogie herzustellen.«
Die Brisanz des Themas unterschätzt
Für viele Zuschauer kam die Serie vor allem in den ersten Teilen wie eine Kampagne gegen den Dalai Lama daher. Das war es wohl nicht, aber die »10 vor 10«-Redaktion hat die Brisanz des Themas unterschätzt, hat sich wohl auch, auf der Suche nach einer süffigen Story, zu sehr auf die Seite der Shugden-Anhänger geschlagen. Hätte sie nur die immer wieder erhellende Frage gestellt: »Wem nützt’s«, wären sie wohl vorsichtiger an das Thema herangegangen. Zwar kamen dann in den späteren Folgen auch Exiltibeter und der Dalai Lama selber zu Wort, in einer fünften Folge durfte nach heftigen Protesten ein anerkannter Tibetexperte eine objektivere Sicht der Dinge vermitteln, und am Sonntagmorgen setzte die Religionssendung »Sternstunde« (allerdings vor anderem Publikum) die Akzente anders. Aber lässt sich auf diese Weise sozusagen post faktum noch Ausgewogenheit herstellen?
Wie kam denn Beat Regli, der Autor der Serie, dazu, unter all den Konflikten dieser Welt ausgerechnet diesen aufzugreifen? »Ausschlaggebend waren Informationen von Tibetern aus Indien, die über brutale Verfolgung durch Dalai-Lama-Anhänger berichteten«, sagt Regli. So machte er sich auf die Spuren des tibetischen Geistes, filmte verzweifelte Mönche und Familien in Bedrängnis, weil sie »von fanatischen Anhängern des Dalai Lama« verfolgt werden. Als ein pensionierter Minister niedergestochen und verwundet wurde, liess er den Zuschauer im Glauben, das sei wegen leiser Kritik am Dalai Lama geschehen. Als aber ein als Kritiker des Shugden-Kults bekannter Abt und zwei seiner Schüler brutal ermordet wurden, gab es keine hinreichenden Verdachtsmomente für Regli (wohl aber für die lokale Polizei, die glaubt, mehrere Verdächtige als Shugden-Anhänger identifiziert zu haben).
Gegen die Serie ist Beschwerde eingereicht worden. Es wird sich zeigen, ob ein solcher Umgang mit einem schwierigen Thema, das auch in das Verhältnis China/Tibet hineinspielt, zulässig ist. Derweil sagt »10 vor 10«-Chef Müller: »Wir versuchen, ein Magazin zu machen, das einen relativ populären Approach hat. Wir sind ein Infotainment-Magazin und machen keine wissenschaftlichen Arbeiten. Für uns ist das eine tägliche Gratwanderung.«
Vielleicht sollte man sich nicht unbedingt auf einen Himalajagrat wagen.
Der die ersten vier Beiträge korrigierende, neu recherchierte, einstündige Bericht des SF1 ist nun auch online verfügbar. Für diesen Fernsehbeitrag, Teil 5, wurde der Religionswissenschaftler Martin Kalff als wissenschaftlicher Experte hinzugezogen.
Beiträge aus dem Internetarchiv
Bis Ende 2007 stellte Tibet Focus Reaktionen und Beiträge auf die fünfteilige Schweizer Fernsehserie und zur Shugden Thematik im Internet zur Verfügung. Da diese Informationen nur noch im WebArchive zugänglich sind und nach wie vor aktuell erscheinen, werden sie hier, zur Erhellung der Thematik, wieder zugänglich gemacht.
Provided by WebArchive
Shugden: ÜbersichtDas Schweizer Fernsehen DRS hat vom 5. bis 9. Januar 1998 in der Sendung «10 vor 10» eine fünfteilige Serie von Kurzbeiträgen mit dem Titel «Bruderzwist unter Tibetern» ausgestrahlt. Die Sendung ging auf den Umgang der Tibeter mit dem Kult um den Schutzgeist Dorje Shugden ein. Die folgenden Artikel sollen Ihnen einen vertieften Einblick in die Problematik ermöglichen. Dabei handelt es sich nur um eine Auswahl verschiedener Meinungen. Die geäusserten Standpunkte brauchen nicht die Meinung von tibetfocus zu widerspiegeln.
Carsten Nebel |
Download
- TibetFocus Archiv Texte *.doc
- TibetFocus Archiv Texte *.pdf
- Streit um Shugden - Analyse einer tibetischen Kontroverse – Michael von Brück
- Dorje Shugden & Religionsfreiheit: Religion und Öffentlichkeit in der tibetischen Exilgesellschaft – Karénina Kollmar-Paulenz
- Der Dalai Lama und der Shugden-Kult – Worum geht es in diesem Konflikt? – Jens-Uwe Hartmann
- Anti-Dalai Lama-Proteste von Pro-Shugden-Gruppen – Robert Barnett
- Der Dorje Shugden Konflikt – Interview mit dem Tibetologen Thierry Dodin
- Dordsche Schugden und die Religionsfreiheit: Anmerkungen zu einem Konflikt – Jens-Uwe Hartmann
- Religionskämpfe unter den Exil-Tibetern? – Michael von Brück
- Tibetischer Buddhismus: Konflikt um Shugden-Kult – Deutschlandfunk
- Gewalt und Gewaltüberwindung im Buddhismus (Uni Hamburg) – Essay von Michael von Brück (beinhaltet Shugden Kontroverse)
- Ein Geist geht um … – Peter Riedl, ehem. Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft (ÖBR)
- Gegen sektiererische Ansichten – Interview der buddhistischen Zeitschrift „Ursache und Wirkung“ mit Geshe Tenzin Dhargye
- Stellungnahme der Deutschen Buddhistischen Ordensgemeinschaft (DBO) zu den Protesten gegen den Dalai Lama durch die International Shugden Community (ISC)
- Buddhistische Proteste gegen den Dalai Lama – Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW)
- Western Shugden Society / International Shugden Community – Tenzin Peljor
- Sektierertum im Buddhismus – Ursachen & Auswege von Jürgen Manshardt
englischsprachige Dokumente/Dokumentationen:
- Document – China: AI’s position on alleged abuses against worshippers of Tibetan deity Dorje Shugden by Amnesty International (PDF)
- Delhi High Court Dismisses Dorjee Shugden Devotees’ Charges by TGIE, Dharamsala (PDF)
- Dorje Shugden, The Spirit and the Controversy – Filmdokumentation, veröffentlicht von der Tibetischen Exilregierung (TGIE)²