Ist das Modell „Guru“ kaputt?

Pema Khandro Rinpoche, Lama Rod Owens, Lama Rigzin Drolma (Anne C. Klein) und Lobsang Rapgay diskutieren das Guru-Modell in der tibetischen Tradition, bei dem der Lehrer im Mittelpunkt des Weges steht. Aus der Winter 2018 Ausgabe von „Buddhadharma“.

Vorwort der Redaktion von „Buddhdharma“

Vor einem Jahr wäre es schwer vorstellbar gewesen, einen Artikel mit dieser Überschrift zu veröffentlichen. Aber in einem Jahr geschah viel: Die #MeToo-Bewegung traf die Welt im Sturm, und schockierende Enthüllungen über Missbrauch durch buddhistische Lehrer in hochkarätigen Gemeinschaften, darunter Shambhala und Rigpa, wurden zu Mainstream-Nachrichten.

Während die Gemeinschaften immer noch mit diesen Anschuldigungen zu kämpfen haben und rechtliche Fragen noch zu klären sind, haben diese Anschuldigungen viele Fragen und Bedenken hinsichtlich der Rolle des Lehrers im Buddhismus aufgeworfen.

Angesichts der jüngsten Umbrüche haben wir uns in dieser Diskussion entschieden, uns auf das Guru-Modell in der tibetischen Tradition zu konzentrieren, bei dem der Lehrer im Mittelpunkt des Weges steht. Unsere Diskussionsteilnehmer sind tief in die Guru-Praxis involviert und bieten von innen heraus Einblicke, wie dieses Lehrer-Schüler-Modell in Zukunft praktikabel sein kann oder nicht. Das Gespräch ist jedoch für alle buddhistischen Traditionen relevant, in denen der Lehrer – ob nun Lama, Roshi oder Ajahn – über große Macht verfügt.

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Buddhadharma: Die grundlegende Frage dieses Forums lautet: „Ist das Guru-Modell kaputt?“ Der Antwort werden wir nachgehen, aber zunächst einmal, wie fühlt Ihr Euch, wenn Ihr diese Frage hört?

Lama Rigdzin Drolma (Anne Klein): Ich bin mir nicht sicher, ob ich das sagen möchte, aber meine erste Reaktion war: Alarm! Nein! Es kann nicht kaputt sein. Denn wenn es kaputt ist, dann ist die ganze Tradition zerbrochen. Eine Beziehung ist entscheidend für die eigene Praxis auf jeder Stufe des Pfades und definitiv der Schlüssel zu Fortschritt im Tantra und Dzogchen.

Lobsang Rapgay: Auch meine sofortige Reaktion war, zu sagen: „Nein, es ist nicht kaputt!“ Aber ich denke, es gibt da auch ein Element des Kontextes diesbezüglich, in der Kultur. In Tibet wurden die Lehren von einem Guru zum nächsten weitergegeben, was den Guru unverzichtbar macht.  In Anbetracht der enormen kulturellen, sozialen und politischen Differenzen zwischen Tibet und dem Westen ist es dringend geboten, zu untersuchen, ob dieses Modell hier überhaupt begreifbar ist und aufrechterhalten werden kann.

Pema Khandro Rinpoche: Ich spüre eine gewisse Neugier, was diese Frage bedeutet, denn es gibt eine Menge unterschiedlicher Lehrer-Schüler-Beziehungen im Tibetischen Buddhismus. Einige eher autoritär, andere eher väter- oder mütterlich. Manchmal ist sie eher intellektuell und lehrerhaft – ein anderes Mal kann sie eher wie bei einem Coach oder eben einem spirituellen Freund sein. Ich habe natürlich zahlreiche Vajrayana-Praktizierende getroffen, die glauben, es gäbe nur ein Modell und einen richtigen Weg, wie diese Beziehung zu sein hat, aber meiner Erfahrung nach gestaltet sie sich überaus unterschiedlich.

Lama Rod Owens: Wenn ich das Wort „Guru“ höre, liegt mir da etwas schwer im Magen – das ging mir schon so, bevor ich auf den buddhistischen Pfad stieß. Wir transplantieren eine bestimmte Art von Beziehung, die vorherrschend war in einer anderen Kultur, auf dieses westliche Paradigma obendrauf, und ich glaube, wir arbeiten immer noch daran, zu entschlüsseln, was ein Guru für uns Westler überhaupt bedeutet. Ich weiß nicht, ob das Modell kaputt ist. Der Guru bedeutet für unterschiedliche Leute etwas jeweils völlig anderes. Meine persönliche Beziehung zu meinem Lehrer ist etwas, mit dem ich mich arrangieren musste durch wirklich intensive Verhandlungen mit meinen eigenen Projektionen, meinen eigenen Durchhängern, meinem eigenen Mangel an Verständnis, wie eine authentische Beziehung mit einem anderen menschlichen Wesen aussieht. Vielleicht ist das Guru-Modell kaputt, vielleicht sind es aber auch nur meine Bemühungen, die nicht ausgereift genug sind, um in diese tiefgründige Beziehung einzutreten.

Buddhadharma: Wir alle haben diese Geschichten gehört, gerade in der jüngsten Zeit, wie dieses Modell manchmal Schaden anrichten kann. Wie sieht das Guru-Modell aus, wenn es nicht gut läuft? Wie geht es kaputt?

Lobsang Rapgay: Was wir an diesen jüngsten Fällen sehen, zusätzlich zu den Themen, die sich um die psychologische Entwicklung des Lehrers drehen, ist der Mangel an einer rigorosen traditionellen Ausbildung und Erziehung sowie die Abwesenheit von Ethik als Grundlage ihrer Lehrtätigkeit. Rigorose traditionelle Ausbildung vermittelt nicht nur intensive Bildung in Theorie und Praxis, sondern auch eine Struktur und Disziplin für die Auszubildenden, wie sie sich selbst ethisch mit Körper, Rede und Geist verhalten. Alle Traditionen unterstreichen wiederholt Ethik als die Basis aller Praxis.

Wenn jemand ohne formale Ausbildung die Rolle eines Lehrers einnimmt, speziell im Fall der esoterischen Lehren, ist das Potential für Missbrauch enorm. Zu Beginn mag der Lehrer die Lehren auf sich persönlich zuschneiden und vereinfachen, um sie zugänglicher und angenehmer zu machen, und so mehr Schüler anzuziehen. Aber von da an koppelt sich der Lehrer vom Halt durch die Tradition ab. Sie sind frei darin, die Lehren zu interpretieren und in sie einzuführen, ohne jegliche Beschränkung. Solche Lehrer betonen nur selten die zentrale Bedeutung von Ethik oder unterwerfen sich selbst den ethischen Richtlinien eines Vajra-Meisters.

Dieser Mangel an Fundament führt zu einer Form von personalisiertem Buddhismus, wo der Lehrer die einzige Autorität ist. Hier beginnt man dann die subtilen Unterwerfungen zu sehen, oder in extremen Fällen kenne ich Leute, die das Wort „Versklavung“ benutzen. Den Leuten wird gedroht, andere Lehrer oder Lehrer werden nicht befürwortet. Nach einiger Zeit beginnt man die Drohungen zu bemerken, dann nimmt der Missbrauch zu. Oft ist dieser sexuell, aber er beschränkt sich nicht darauf. Er ist auch emotional, physisch und finanziell. Und immer gibt es Geheimniskrämerei und Schweigen. Es braucht nicht lange, um eine Organisation vollkommen um das Zentrum des Lehrers/Lehrerin und seine oder ihre Interpretationen der Lehren herum aufzubauen. Der Lehrer hat die absolute Macht und Autorität, und andere unterstützen den Lehrer, während sie Verschwiegenheit und Geheimnistuerei aufrechterhalten.

Pema Khandro Rinpoche: Ich fühle, dass der Buddhismus einen positiven Schritt nach vorn macht. Ich war beschämt, als die Leute mich fragten, inwieweit der Buddhismus von der #MeToo-Bewegung betroffen sei, und ich gar keine Beispiele geben konnte. Dann plötzlich traten Leute hervor und sprachen laut aus, und ich war so stolz auf die Gemeinschaften, die es aussprachen, und auf die tapferen Leute, die ihre Geschichten unter großem Druck mitteilten. Es ist wichtig für uns, durch dieses Stadium hindurchzugehen, damit wir jenseits dieser naiven Sicht eines Buddhismus der Fantasien von Shangrila gelangen, wo alle Tibeter perfekte Menschen, alle Lehrer fehlerlos sind, und alles was du zu tun hast, ist deine Intelligenz abschalten und tun, was sie dir sagen. Das ist ein natürlicher Zustand, wenn jemand neu zu einer Religion konvertiert ist. Aus der Forschung wissen wir, dass zu Beginn die Leute die Dinge zu wörtlich nehmen und fundamentalistisch sein können. Doch allmählich werden sie gewiefter darin, die Tradition selbst zu interpretieren und in die komplexen Anliegen und Doppeldeutigkeiten hineinzublicken, und dann gehen sie über das Schwarz-Weiß-Denken hinaus. Kulturell, als amerikanische Buddhisten, denke ich, das ist der Punkt, an dem wir uns befinden: wir kommen zur Reife, werden erwachsen. Ich spüre, dass dies all unserer Praxis und dem Buddhismus generell nutzen wird. Es ist ein schmerzhaftes Stadium, über all diese schrecklichen Missbräuche, die vorgekommen sind, zu reden, aber ein sehr wichtiges!

Lama Rigdzin Drolma: Es mag anders sein, wenn man in einer buddhistischen Kultur aufwuchs, aber in unserer Kultur, teils, weil der Buddhismus eben so neu für uns ist, gibt es viele Fantasien über Buddhismus. Die Leute tragen diese in ihre Beziehung zum Lehrer hinein. Das beinhaltet häufig viel Selbstbetrug und Projektion. Ebenso wird oft gesagt, dass die tibetische Kultur Loyalität zutiefst schätze, der Westen dagegen Unabhängigkeit, inclusive der Vorstellung, diese beinhalte, tun zu können, was immer man will. Eine solche Person mag es schwierig finden, einem Lehrer zuzuhören oder zu respektieren, der sich eben nicht darauf einlässt, sie zu ermutigen, genau das zu tun, was sie will. Solche mögen wohl den Teil des Pfades nicht verstehen, der in der Tat bedeutet, diese Auffassung von Freiheit zu überwinden.

Buddhadharma: Was ist die Lösung, wie kriegen wir es hin, dass es funktioniert?

Pema Khandro Rinpoche: Nun, es stimmt schon, wir leben nicht in einer buddhistischen Kultur. Umso wichtiger ist es, dass unsere Bildung als Buddhisten vielfältige autoritative Quellen beinhalten muss. Die Studierenden müssen in verschiedenen Texten versiert sein; sie müssen etwas über buddhistische Philosophie wissen und über Gelübde. Und die Lehrer sollten die Schüler auf Kontroversen innerhalb des Buddhismus hinweisen, anstatt nur die direkte Überlieferung ihrer eigenen Tradition zu lehren. Sie sollten den Studenten zeigen: es gibt durchaus Gegenmeinungen – das stärkt das Gefühl dafür, dass es in Ordnung ist, Zweifel zu haben und diese wirklich großen Fragen, die der Buddhismus für uns stellt, in die Zange zu nehmen. Wenn diese wissen, dass der Buddhismus eine lange Geschichte der Debatte und eifrigen Disputs über alles, was zählt, aufweist, dann wird das den Schülern helfen, Fundamentalismus hinter sich zu lassen und eine Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Dazu ist es in meinem Sangha eine Regel, dass, wenn man mein Schüler sein will, man in seinem Leben auch noch etwas anderes haben sollte als Buddhismus. Familiäre Beziehungen, ein Hobby, irgendetwas, denn was passiert, wenn die Beziehung zum Lehrer zerbricht? Ich unterrichte oft Schüler anderer Lamas und habe keine Ahnung, bei wem sie am Ende landen. Und sei es bei Sogyal Lakar, also will ich, dass dieser Schüler es gelernt hat, Zweifel zu äußern, Fragen zu stellen und anderer Meinung als ich zu sein. Ich liebe den Buddhismus so sehr, aber wenn da etwas Frauen-feindliches ist, spreche ich das aus und sage: „Das ist mir unangenehm, das erscheint mir dubios. Was denkt ihr, woher das kommt?“ Wir üben das, und wenn sie dann zu anderen Lehrern gehen, wissen sie, wie man respektvoll einen Dialog führt. Kulturell, denke ich, ist es diese Fähigkeit zu respektvoller Nicht-Übereinkunft, die uns fehlt.

Die steile Hierarchie ist nicht immer die gleiche. Der Lehrer hat auch Lehrer, und in diesen Beziehungen ist der Lehrer nicht der Guru – der Lehrer ist ein Schüler. Der Lehrer ist also kein Seinszustand, sondern eine Rolle, die man in einem bestimmten Kontext spielt.Pema Khandro Rinpoche

Lama Rigdzin Drolma: Ohne diese Agenda finden wir eine Art blindes Vertrauen in die Güte des Lehrers. Vertrauen ist absolut essenziell, aber manchmal geht die Idealisierung so weit, dass es die Studierenden gar nicht beschäftigt, ob sie tatsächlich gesehen werden und wirkliche Güte vorhanden ist. Der Lehrer wird zu einer Art super-idealisiertem Wesen. Dieses Wesen gibt es nicht. Die Lehrperson mag tatsächlich ein Narziss sein. Er oder sie kommandiert die Schüler herum oder missbraucht sie, und die Schüler nehmen das hin, weil es zumindest irgendeine Form von Kontakt ist. So mag der Schüler, die Schülerin, eine bestimmte psychologische Disposition haben, die der Lehrer/die Lehrerin ausnutzt, bewusst oder unbewusst. Ehrlich gesagt, bei den Fällen, die nachzulesen waren, ist schwer vorstellbar, dass sie unbewusst geschahen.

Lama Rod Owens: Was mir in Gesprächen mit Gemeinschaften immer wieder begegnet, ist der Unwille, Macht zu konfrontieren, über Macht zu reden oder irgendeine Instruktion zum Umgang mit Macht zu erhalten. Das führt zu solchen Situationen wie jenen, in denen wir uns gerade befinden, besonders wenn wir über die verletzlichsten Mitglieder unseres Sangha sprechen. Es gibt eine Art, in der die Sangha-Gemeinschaft selbst konspirativ auf individuelle Mitglieder einwirkt, sich einzureihen, die Lehrperson oder eine Politik zu unterstützen, die ungesund ist. Einiges davon, was wir sehen, ist die Manifestation einer Kult-Kultur innerhalb unserer buddhistischen Gemeinschaften.

Pema Khandro Rinpoche: Eine weitere Sache, die wir beobachten, ist ein überwiegender Mangel an Erziehung bei einigen dieser traditionell ausgebildeten Lehrer in Bezug auf Sexualität und Geschlechtergleichheit. Was mich wirklich erschreckt hat bei all diesen Geschichten, sind Lehrer, die nicht nur Leute schädigen, sondern auch noch glauben, das sei OK. Sie wissen nicht, dass es keineswegs okay ist, Frauen so zu behandeln. Diese Lehrer müssen begreifen, dass es kein schlichtes Einverständnis gibt, wenn das Machtgefälle so groß ist. Und auch dass durchschnittliche Menschen, die erst noch ihren Standpunkt entwickeln müssen, gar nicht in der Lage sind, ihre freie Einwilligung zu diesem Zeitpunkt geben zu können. Das ist die Aufgabe und Verantwortung der Lehrer, sich die Schüler gut anzuschauen und sich klar zu sein darüber, dass die Schüler viel verletzlicher sind in diesen Beziehungen.

Ich frage mich, ob Lehrer/innen sich überhaupt voll entwickeln können, wenn sie keine Ebenbürtigen neben sich haben. Eins der Probleme des tibetischen Buddhismus im Exil ist es, dass die Lehrer oft keinen anderen Lehrer in der Nähe haben. Sie stehen an der Spitze der Pyramide, dem oberen Ende einer steilen Hierarche, und das ist gefährlich. Ich kann für mich selbst sagen, als Lehrer, das ist ein Ort großer Isolation. Ich möchte nicht in einer Situation sein, wo es keine ebenbürtigen Dialogpartner für mich gibt.

Lama Rod Owens: Der Diskurs, den wir auf nationaler Ebene nicht führen wollen, ist der, dass einige der Lehrer, die wir lieben und schätzen und denen wir folgen, noch gar nicht geeignet dafür sind, Lehrer zu sein. Da besteht ein Maß an emotionaler Unreife, welches Menschen einem Risiko aussetzt. Ich würde mir mehr Verantwortungspflicht der Sanghas wünschen, und mehr Strukturen der Verantwortung, daher helfen wir Sangha-Mitgliedern, sich gegenseitig zu unterstützen. Ist sich jemand über die Beziehung zum Hauptlehrer unsicher, sollte ein offener, aufrichtiger Dialog über die Vorgänge möglich sein. Diese Art unterstützter und transparenter Sangha-Kultur ist die Antithese zu dem, wie gewisse Sanghas und Lehrer ihre Hierarchie und Macht erhalten.

Buddhadharma: In seinem Buch „Verwirrung in Klarheit verwandeln“ (Turning Confusion into Clarity) sagt Mingyur Rinpoche: „Der Guru ist sowohl der wichtigste als auch der am meisten missverstandene Aspekt des Vajrayana.“ Was sind die gängigsten Missverständnisse in Bezug auf den Guru?

Lama Rigdzin Drolma: Die Guru-Schüler-Beziehung soll sich darum drehen, sich zur Möglichkeit des Erwachens zu öffnen. Ich denke, das wird nicht immer verstanden. Es ist auch kompliziert, denn um zu reifen, brauchen wir bestimmte Aspekte von Beziehung. Zum Beispiel brauchen es viele von uns, dass der Lehrer in einer Weise funktioniert, wie unsere Eltern es nicht taten; uns auf eine Weise sieht, wie uns unsere Eltern nicht sahen. Das kann einen entscheidenden Teil des Wachstums ausmachen.

Das Prinzip, den Lehrer als Buddha anzusehen, ist kritisch, aber es geht mit dem Problem der Idealisierung einher. An diesem Punkt bleiben viele stecken. Die Leute sind sehr aufgeregt. Das ging mir genauso, und darin liegt viel Freude und Inspiration, aber es versteift sehr rasch zu einer Ansicht, dass der Lehrer irgendwo da ganz weit oben ist, und ganz wunderbar, und vollkommen verschieden von mir.

In unserer Kultur gibt es viele Fantasien über den Buddhismus, und die Menschen tragen diese in eine Beziehung mit dem Lehrer. Dies beinhaltet oft Selbsttäuschung und Projektion.Lama Rigzin Drolma

Ich nahm die Praxis auf mich, meinen Lehrer als Buddha anzusehen, gleichzeitig schimpfte er mit den Leuten, schrie sie an, besonders mich, sagte uns: „Ihr schneidet das Gemüse falsch!“ Einerseits sieht man einen Aspekt, der völlig rein ist, und man absorbiert alles davon. Andererseits stellt man fest, dass sie auch menschliche Wesen sind, mit Gestank und Müll. Das ist eine Herausforderung für die Leute, aber in meinem Fall war es sehr hilfreich, zu begreifen, dass ich spüren konnte, dass mein Lehrer ein Buddha war, und gleichzeitig seine völlig gewöhnliche Erscheinung annehmen konnte, Gemüse schnitzelnd – Erscheinung und Leerheit beieinander.

Lobsang Rabgay: Dieses ganze Konzept des Guru stammt aus der vedischen Tradition und wurde später ins Mahayana inkorporiert, speziell im Tibetischen Buddhismus. Der Buddha hat in der Historie keine Linie von Lehrern kreiert, indem er die Verantwortung einem einzigen Schüler übertrug. Stattdessen gab er sie dem Sangha, der Gemeinschaft der Mönche. So finden wir im frühen Buddhismus, dass der Lehrer als Kalyanamitra, spiritueller Freund, betrachtet wurde, jemand, der mit dir arbeitet, damit du die Lehre verstehst, dir zum Fortschritt verhilft, und dabei, sie zu integrieren.  So wie ein Arzt mit Medizin einem Kranken hilft. In der Mahayana-Tradition beschreibt Je Tsongkhapa den Lehrer als unverzichtbar, was das Konzept des Guru der Vajrayana-Tradition wiedergibt: Der Guru wird buchstäblich als Buddha angesehen, jemand dessen Autorität nicht zur Debatte steht.

Die Frage lautet nun, können wir im 21. Jahrhundert noch jemanden als Verkörperung des Buddha ansehen, oder ist es besser, ihn als spirituellen Freund anzusehen? Den Lehrer als Buddha betrachten zu müssen, gerade wenn diese Vorstellung so fremd ist, erlegt den westlichen Studenten eine enorme Bürde auf. Wie bringt der Schüler emotional das Erfordernis, den Lehrer als vollkommene Autorität anzusehen, überein damit, dass dieser ein menschliches Wesen ist? Das führte zu Schwierigkeiten, psychologisch und kulturell, hier zu differenzieren. Da sind individuelle Lehrer, die dann bewusst oder unbewusst verletzliche Schüler dazu manipulieren, zu glauben, alles was sie sagen, oder tun, seien Handlungen eines Buddha, nicht hilfreich.

Pema Khandro Rinpoche: In der Nyingma-Tradition spricht man von verschiedenen hierarchischen Traditionen. Im äußeren Tantra ist es wirklich ziemlich sperrig. Als ob man sich auf diese heilige Gottheit bezieht, die weilt weg, hoch über einem, und man selbst katzbuckelt zu ihren Füßen. Aber wenn man bei den inneren Tantras anlangt, vollzieht man nicht nur Guru Yoga und visualisiert den Guru als Buddha, man erhält die Übertragung von diesem Buddha und wird selbst zu diesem Buddha. Diese Hierarchie ist zusammenklappbar, und wir praktizieren dieses Zusammenklappen. Es geht da also eine Dialektik vor sich zwischen dem äußeren und dem inneren Guru.

Ich denke, es ist ein krasses Missverständnis, dass die Hierarchie immer die gleiche sein soll. Der Lehrer hat auch Lehrer, und in diesen Beziehungen ist der Lehrer nicht der Guru, da ist er Schüler. Der Lehrer ist daher nicht ein Seinszustand, sondern eine Rolle, die man in einem bestimmten Kontext einnimmt.

Lama Rod Owens: Ich reagiere sehr empfindlich darauf, wie wir Beziehungen manipulieren, um unsere unerfüllten Bedürfnisse zu befriedigen. Und ich habe das wieder und wieder bei Lehrer-Schüler-Beziehungen beobachtet: Der Lehrer wird zu dem, was wir brauchen. In diesem Moment, wenn wir den Lehrer in diese Position hineinmanipulieren, verlieren wir das Tiefe, Besondere, die Einzigartigkeit dieser Beziehung.

Ich habe großes Glück gehabt und bin noch so glücklich dran, in einer Verbindung mit Lehrern zu stehen, die so gereift sind, dass sie tatsächliche diese Projektionen durchschneiden. Sie lassen solche unbewussten Projektionen, die ihnen eine Position aufnötigt, die dem Schüler nicht ultimativ nutzt, nicht zu. Aber ich denke, als Kultur haben wir noch nicht die Reife erlangt, solche tiefgründigen und subtilen Arten von Beziehungen zu unterhalten. Wir machen die Arbeit, aber es ist noch ein langer Weg, um zu begreifen, wie wir unbewusst unsere unerfüllten Bedürfnisse auf unsere Lehrer projizieren.

Buddhadharma: Könnten Sie beschreiben, wie eine Guru-Schüler-Beziehung aussieht, wenn sie gut funktioniert?

Lobsang Rabgay: Ich denke, es ist eine gute Beziehung, wenn du als jemand, der die Lehren durch die Hilfe des Guru sucht, dich sicher fühlst und dich auf den Lehrer verlassen und dich an ihn wenden kannst, wenn du in Not bist. Du kannst zu ihm gehen, und er hat die Fähigkeit, dich spüren zu lassen, dass du ein individuelles Gegenüber bist. Ich erinnere mich an meinen Wurzel-Guru – so ging es mir bei ihm. Selbst wenn ich etwas entgegen seinen Wünschen tun wollte, hätte er mich angehört und mir zugehört, und ich fühlte, dass er jemand ist, dem gegenüber ich mich öffnen könnte, ohne jegliche Angst. Ich sah, wie er jedermann in sehr menschlicher, freundlicher Weise behandelte, egal welcher Status. Wenn ich Unterweisungen von ihm erhielt, spürte ich, ich erhielt sie von jemandem, der sie verkörperte. Diese Art der Inspiration hat einen tiefgreifenden Effekt. Obwohl ich nur ein einfacher junger Mönch war, behandelte er mich als Person. Wenn wir über das Verhältnis zwischen Guru und Schüler sprechen, besonders im Westen, romantisieren wir es, machen es mystischer, als es nötig wäre. Aber ich denke, am Ende sind alle Beziehungen eine enorme Herausforderung. Sie alle erfordern ein gewisses Maß an emotionaler und psychologischer Reife. Unsere Fähigkeit gesunde Beziehungen mit den uns nahestehenden Personen führen zu können, muss notwendigerweise die Basis bilden, eine reife, bedeutungsvolle Beziehung mit einem Lehrer zu führen.

Buddhadharma: Was sind einige der Faktoren, die die Dynamik der Lehrer-Schüler-Beziehung erfolgreich machen?

Pema Khandro Rinpoche: Als Schüler ist es wichtig, einen Lehrer zu haben, der genau richtig ist. Es gibt verschiedene Arten von Lehrern. Einige sind zorniger, andere herziger, und wieder andere sind eine Kombination. Wenn jemand mit viel Trauma kommt und dann hart korrigiert wird, kann es sein, dass der Schüler nicht in der Lage ist, diese Art von Anleitung für sich zu nutzen. Jemand anderes könnte hingegen wirklich von einer stärkeren Hand profitieren. So oder so, die Motivation für die Beziehung muss die Erleuchtung sowohl des Lehrers als auch des Schülers sein; es muss ein Gefühl des gegenseitigen Fortschritts, des gegenseitigen Erwachens geben.

Ich denke, dass die Schüler mehr Selbstvertrauen in diese Beziehungen bringen müssen. Sie müssen bereit sein, Fehler zu machen, es falsch zu machen und korrigiert zu werden. Wenn jemand nicht genug Selbstvertrauen hat, dann kann es traumatisch sein, zu versagen oder es nicht richtig zu machen. Sie brauchen das Selbstvertrauen mit den Fragen, die sie haben, den Zweifeln, die sie haben, den Fehlern herauszukommen. Denn wie kann der Lehrer helfen, wenn der Schüler nur versucht, als perfekter Schüler zu erscheinen? Der Wunsch, die Liebe des Lehrers zu gewinnen, schafft diese unglaubliche Komplikation.

Schließlich muss der Lehrer auch etwas über die Gleichstellung der Geschlechter wissen. Die Lehrer-Schüler-Beziehung kann in der Neuzeit nur funktionieren, wenn die Lehrer ausgebildet werden, um einen Dialog über Fragen von Geschlecht und Misogynie führen zu können. Es muss ein gewisses Verständnis der Geschlechterdynamik und der Prozesse, die Menschen durchlaufen, vorhanden sein.

Lama Rigzin Drolma: Es ist eine sehr fein kalibrierte Beziehung; es ist nicht für jeden das gleiche Geschäft. In meiner Beziehung zu meinen eigenen Lehrern, was mich gehalten hat, war die absolute Gewissheit des Vertrauens und der Liebe. Und dort, in diesem geschützten Ort, gab es viele harte Dinge. Ich wurde viel geschimpft, und es wurde viel verlangt, und es wurden Ziele auf eine bestimmte Weise gesetzt. Aber ich empfand immer, dass mein Lehrer sehr ansprechbar für mich war. Es geht nicht darum, dass der Lehrer den Schüler beeindruckt oder Macht über ihn hat oder ihn benutzt; Strenge ist nicht gleich Missbrauch. Es gibt eine gesunde Mischung aus Inspiration und Strenge.

Lama Rod Owens: Nach meiner Erfahrung hat die Beziehung gut funktioniert, wenn meine Lehrer mich daran erinnert haben, Vertrauen in mich selbst zu haben. Sie erinnerten mich an meine eigene Selbständigkeit. Sie erinnerten mich daran, dass das, was ich in ihnen als tiefe Weisheit oder Erleuchtung wahrnehme, tatsächlich von meinem eigenen Weisheitsbewusstsein ausstrahlt, und dass ich meine Aufmerksamkeit nach innen richten und Zuflucht in meine eigene angeborene Weisheit nehmen muss. Es ist eine Beziehung, in der ich ermutigt wurde, nicht abhängig zu sein, sondern zu erkennen, dass der Lehrer immer nur ein Spiegel von mir ist.

Buddhadharma: Welchen Ratschlag habt ihr für Personen oder Gemeinschaften, die ihre Beziehung zu ihrem Guru in Frage stellen?

Lama Rigzin Drolma: Frag dich selbst, gibt es jemanden in der Sangha, mit dem du reden kannst? Kannst du wirklich jemand anderem sagen, was für dich los ist? Kannst du es mit deinem Lehrer teilen, oder hast du das Gefühl, dass du in einer bestimmten Form auftreten musst, um in der Gemeinschaft akzeptiert zu werden? Manchmal kommen die Leute und sagen: „Oh, ich wäre heute Abend fast nicht gekommen, weil ich mich einfach so schrecklich gefühlt habe. Ich war so müde oder habe gerade mit meinem Freund Schluss gemacht. Mir ging es nicht gut.“ Wir sagen immer nein, nein, nein, du kommst hierher, egal wie du dich fühlst. Dies ist kein Ort, an dem du deine Federn in irgendeiner Weise zeigen musst.

Lama Rod Owens: Wenn wir über Sanghas im Westen sprechen, besonders in diesem Land, dann sprechen wir über Sanghas, die hauptsächlich aus weißen Praktizierenden bestehen. Wenn ich in diese Sanghas gehe, ist es ganz anders als das, womit ich in der schwarzen Gemeinschaft aufgewachsen bin. Also muss ich die grundlegende Basisarbeit leisten, um diesen Sanghas zu helfen zu verstehen, was eine Gemeinschaft wirklich ist. Eine Gemeinschaft erfordert viel mehr Arbeit und viel mehr Mühe als das, was viele der Praktizierenden in den Staaten kulturell gewohnt sind. Wenn ich also „Gemeinschaft“ sage, dann meine ich, dass jeder das Recht hat, dort zu sein, dass jeder das Recht hat, eine Stimme zu haben, dass niemand ein bestimmter Typ sein muss, und ich als Lehrer muss das modellieren.

Eines der Dinge, die wir uns fragen müssen, ist: Bin ich frei, ich selbst zu sein? Sehe ich mich selbst, meine Vielfalt, gespiegelt in der Gemeinschaft? Erlaubt mir der Lehrer tatsächlich, offen zu sein, ehrlich zu sein, ich zu sein? Wenn du negative Antworten auf irgendetwas davon hast, dann ist das kein gesunder Raum für dich.

In unseren Gemeinschaften müssen wir erforschen, wie wir eine Kultur der Verständigung etablieren können. Welche Rechte habe ich? Wo liegen meine Grenzen? Was ist die Ethik der Gemeinschaft? Sind sie eindeutig angegeben? Ist es klar ersichtlich, zu wem ich gehen kann, wenn ich ein Problem habe? Um gesunde Gemeinschaften zu schaffen, die den Missbrauch reduzieren, brauchen wir diese Dinge vor Ort.

Es gibt eine Art und Weise, wie die Sangha selbst – nicht der Lehrer, sondern die Sangha selbst – sich verschwört, einzelne Mitglieder zu zwingen, sich anzupassen, um Lehrer oder ungesunde Maßnahmen zu unterstützen. Einiges von dem, was wir sehen, ist die Manifestation von Kult-Kulturen innerhalb unserer buddhistischen Gemeinschaften.Lama Rod Owens

Lobsang Rapgay: Du kannst gute Grenzen setzen, und die Gemeinschaft kann ethische Richtlinien festlegen. Definiert sexuellen, körperlichen, emotionalen und finanziellen Missbrauch klar und deutlich. Welche Kriterien erfüllen diese Formen des Missbrauchs? Identifiziert dann, welche Schritte ein Schüler unternehmen kann. Es sollte einen Ethikausschuss geben, der Beschwerden entgegennimmt. Und es muss von Zeit zu Zeit Gruppendiskussionen geben, in denen die Studenten ihre Anliegen äußern können. Wenn sie ernst genug sind, können diese Bedenken dann zur weiteren Untersuchung an die Ethikkommission herangetragen werden. Und der Lehrer muss diesen Prozess aktiv unterstützen.

Pema Khandro Rinpoche: Ich möchte hinzufügen, dass es Frauen geben muss, die auf jeder Ebene der Sangha-Führung gleichermaßen vertreten sind, besonders in diesen größeren Gemeinschaften. Andernfalls sehe ich nicht, wie einige dieser Probleme berücksichtigt werden könnten. Es ist wichtig, dass die Sanghas darauf achten. Wer ist in den Verwaltungsräten vertreten? Wer sind die Lehrer? Wer erledigt die Servicearbeiten? Auf allen Ebenen sollte es eine Gleichstellung der Geschlechter geben.

Buddhadharma: Zurück zu unsere Ausgangsfrage: ist das Guru-Modell kaputt?

Lama Rod Owens: Ich glaube nicht, dass das Guru-Modell kaputt ist. Aber ich denke, wir müssen uns zurückerobern, was dieses Modell wirklich ausmacht, und es so definieren, dass es für die Menschen in unserem kulturellen Kontext angemessen ist und sie einbezieht. Hier im Westen und in Amerika besonders gibt es so unterschiedliche Menschen, viele verschiedene Ethnien, Kulturen, Ausdrucksformen von Geschlechtszugehörigkeit, Fähigkeiten usw., die zum Dharma kommen. Es ist keine „One Size – passt allen“ - Situation mehr. Wir müssen die Arbeit leisten, diese Themen von Macht und Dominanz anzupacken und zu entschärfen, und echte spirituelle Beziehungen zu denen um uns herum entwickeln.

Lama Rigdzin Drolma: Die Tradition verheiratet sich gerade mit der Moderne. Die Tradition respektierter Lehrer ist definitiv wesentlich. Aber größte Sorgfalt ist ebenso nötig, sicherzustellen, dass Heilen und Erwachen auf jedem Niveau stattfinden können. Darum müssen wir uns kümmern, als Gemeinschaften und Individuen.

Es fällt auf, dass die größten Schwierigkeiten in Organisationen auftraten, die sehr groß und finanziell mächtig waren. Ich bin mir über die Verbindung nicht im Klaren, aber ich bin mir sicher, da gibt es eine.

Lobsang Rabgay: Ich zweifele, ob sich die Frage darin fassen lässt, ob das Guru-Modell mit dem Westen kompatibel ist oder nicht. Das kann so sein. Aber wir müssen uns fragen, ob man so aus dem Stand ein Guru-Modell entwickeln könnte, das die diversen kulturellen und sozialen Bedürfnisse im Westen widerspiegelt? Oder müssen wir nicht einfach herauskehren, was wirklich das Herz der buddhistischen Praxis ist, und einen Weg finden, dieses wiederzuerlangen? Sicherlich, in Mahayana und Vajrayana-Praktiken geschieht es durch den Guru, dass Übertragungen gegeben werden, geschieht es durch die fachliche Fähigkeit des Guru, dass wir erwachen. Das ist immer noch ausschlaggebend.

Die Frage ist: Können wir im 21. Jahrhundert jemanden als die Verkörperung des Buddha sehen, oder ist es besser, ihn als spirituellen Freund zu betrachten?Lobsang Rapgay

Pema Khandro Rinpoche: Im Mahayana-Buddhismus haben wir diese Vorstellung von den reinen Bereichen, wo man unter idealen Bedingungen übt. Aber im Vajrayana haben wir dieses Bild vom Leichenfeld. Wir sehen sogar Buddhas und Dakinis, die auf dem Leichenfeld dargestellt sind – ein Ort, der bei weitem nicht ideal ist, wo es gefährlich ist, wo es um Leben und Tod geht, wo es intensiv ist, wo man diese wunderbare Initiation haben könnte oder wo man von einem Tiger gefressen werden könnte. Und in gewisser Weise ist das die Situation, in der wir uns befinden. Wir wissen es nicht. Ja, vielleicht hast du das Glück, deinen Lehrer zu treffen und eine wunderbare Verbindung zu haben. Vielleicht wird sich Vertrauen entwickeln; vielleicht werden sie ihre Gelübde halten. Du wirst deins behalten, und es ist ein reines Land. Aber was ist, wenn es das Leichenfeld ist? Wie üben wir dort?

Wir können mit dieser aktuellen Situation umgehen, indem wir uns in Bodhicitta, der altruistischen, erleuchteten Absicht, üben. Wir müssen lernen, aus dieser Absicht heraus zu handeln und uns von ihr leiten zu lassen, und wenn wir nein sagen oder Zweifel aufkommen lassen oder auf irgendeine Weise sprechen müssen, solange es durch Bodhicitta motiviert ist, dann wissen wir, dass dies uns auf dem Weg nach vorne bringt. Das Anheben von Bodhicitta – das Hochziehen wie eine Flagge, wie es in den Sadhanas heißt – führt uns nach vorne. So üben wir auf dem Leichenfeld. Obwohl es intensiv und gefährlich ist, gibt es auch so viel Potenzial. Im wirklichen Leben kann alles passieren. Das größte Potenzial besteht darin, dass das, was passiert, dazu führt, dass wir uns unserer Umstände, der anderen und unseres eigenen Geistes bewusst werden und für sie sorgen.

Lobsang Rabgay: Es ist auch wichtig, anzuerkennen, dass dieser Missbrauch gar nicht so weitverbreitet ist. Die Anzahl solider, ethisch verantwortungsbewusster Lehrer überwiegt bei weitem im Vergleich zu denjenigen, die solches Fehlverhalten an den Tag legen. Die Tatsache, dass ein paar Lehrer ihre Schüler ausbeuten, stellt in keiner Weise die Integrität des Guru-Modells generell infrage. Aber wir sollten dieses Modell wirklich untersuchen und schauen, was es für den Westen bedeutet. Es wird Zeit, Hingabe, Demut und Ehrlichkeit erfordern, zu einer Form im Westen zu kommen, in der wir die Essenz des Guru-Modells bewahren können, während wir sicherstellen, dass ethisches Verhalten die Grundlage dieser speziellen Verbindung zwischen Guru und Schüler bildet.  ■


Zu den Personen

Pema Khandro Rinpoche ist die Gründerin von Ngagpa International und langjährige Lehrerin von Dzogchen Praktiken der Nyingma und Kagyü-Tradition.

Anne Carolyn Klein (Rigzin Drolma, Lama), ist Professorin für Religionsiwssenschaften an der Rice University, Gründerin und Lehrerin des Dawn Mountain Tibetan Buddhist Temple, beide in Houston. Sie hat auch bei führenden Gelug-Lehrern wie Lati Rinpoche, Denma Lochö Rinpoche und anderen studiert.

Lama Rod Owens ist ein renommierter afro-amerikanischer Dharma-Lehrer.

Lobsang Rabgay ist ehemaliger tibetischer Mönch und arbeitet als Psychologe und Autor.

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Wir bedanken uns ganz herzlich beim Buddhadharma-Magazin für die Genehmigung des Abdrucks. Original-Artikel: Is the Guru Model Broken? – Buddhadharma / Lion’s Roar.

Die deutsche Übersetzung einer gekürzten Form des Buddhadharma-Artikels wurde in „Tibet und Buddhismus“, Heft 120 - 1/2019, Seiten 20-23 veröffentlicht.

Übersetzung aus dem Englischen von Nicola Hernádi.

Die Online-Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Erlaubnis von Nicola Hernádi. Fehlende Passagen in der Druckversion von „Tibet und Buddhismus“ wurden der Online-Veröffentlichung hinzugefügt und von TP übersetzt.

Titel- und Hintergrundbild: © Michael A. | Statue von Guru Padmasabhva in Tso Pema.