Buddhismus als Konsumartikel
Dagyab Kyabgön Rinpoche
Als der Buddhismus sich in einem jahrhundertelangen Prozeß von Indien aus über ganz Asien ausbreitete, traf er in den verschiedenen Ländern auf ganz unterschiedlich geartäte Bedingungen hinsichtlich der herrschenden Kultur und der gesellschaftlichen Normen. Die Ausprägung, die er im Lauf der Zeit in jedem dieser Gebiete annahm, war daher auch von der Auseinandersetzung mit der vorgefundenen Situation geprägt. Die Entwicklung dieser Traditionen bestand oft in einem zähen Ringen um einen angemessenen Kompromiß zwischen Anpassung und Überlieferungstreue. Nur dadurch, daß sich in diesen Ländern große Meister und ernsthaft Praktizierende lange Zeit darum bemühten, sorgfältig das Wesentliche herauszufiltern und festzuhalten, konnte die Lehre Buddhas immer wieder neu - aber fehlerfrei und vollständig - präsentiert werden.
Die Konfrontation der buddhistischen Überlieferungen mit der westlichen Welt bringt auch eine Reihe von Schwierigkeiten mit sich. Ich werde mich dabei im wesentlichen auf diejenigen Aspekte konzentrieren, mit denen ich am besten vertraut bin, nämlich mit dem tibetischen Buddhismus und den Gegebenheiten in Deutschland. Natürlich ist das ein komplexes Thema, über das man ganze Bücher schreiben könnte. Ich will jedoch trotzdem versuchen, einige der Aspekte, die mir am wichtigsten erscheinen, herauszugreifen.
Wenn wir vom Westen sprechen, dann taucht fast immer gleich zu Beginn der Begriff „materialistische Welt“ auf. Die Menschen hier reden oft sehr kritisch über ihr Land und ihre eigene Gesellschaft. Es geht dabei um Dinge wie die Ausbeutung von Mensch und Natur, ein mechanistisches Weltbild, ein blindes Streben nach Besitz und Profit und in der Folge davon um Desorientierung und Desillusionierung. Als Reaktion darauf wenden sich viele dem spirituellen Bereich zu, insbesondere den östlichen Religionen, denn dort scheint alles ganz anders und die Weisheit viel tiefer zu sein.
Nur wenige machen sich bewußt, daß sie als Teil dieser Gesellschaft ihr Leben lang von deren Normen und Werten durchdrungen worden sind und sie unbewußt tief in sich aufgenommen haben. Diese wenigen wissen, daß das der Punkt ist, wo sie bei sich selbst ansetzen müssen, wenn sie allmählich in eine authentischen spirituelle Praxis hineinwachsen wollen. Sehr viele Menschen im Westen scheinen jedoch zu glauben, daß sie in einer östlichen Religion wie dem Buddhismus etwas völlig Neues finden und damit schlagartig eine ganz andere Qualität in ihr Leben bringen, während in Wirklichkeit die Art und Weise, wie sie diese Religion wahrnehmen und mit ihr umgehen, von den gleichen materialistischen, besitz- und konsumorientierten Tendenzen geprägt ist wie ihr gesamtes Umfeld.
Nur so ist es zu erklären, daß die Vermarktung von religiösen Inhalten und Symbolen, bei der es mehr auf die Verpackung und das Vermitteln einer schnellen, flachen „message“ ankommt als auf Qualität, unerhörte Wachstumszahlen aufzuweisen hat.
Der Buddha soll kurz vor seinem Tod gesagt haben, er habe sein Leben lang über nichts anderes gelehrt als über das Leiden und die Beendigung des Leidens. Der Weg, der zu diesem Ziel führt, besteht darin, daß der Praktizierende sich selbst, sein eigenes Bewußtsein einem tiefgreifenden Umwandlungsprozeß unterzieht. Er lernt, sein Denken und Fühlen von egoistischen Anwandlungen und geistigen Giften loszulösen, was keineswegs einfach ist; es erfordert vielmehr unermüdliche Aufmerksamkeit und ständiges Bemühen. In weiten Teilen des Westens, so erscheint es mir manchmal, ist nur der eine Teil seiner Botschaft angekommen, nämlich, daß eine echte Verbesserung der Lebensqualität nur im eigenen Inneren stattfinden bzw. von dort ausgehen kann („Prima, das kann ich ja zuhause im Sessel machen und muß nicht mal die Füße vom Tisch nehmen“). Der zweite Teil, nämlich, daß das ein anstrengender Weg ist, der den Menschen in seiner Ganzheit in Anspruch nimmt und seine ganze Hingabe fordert, fällt durch den Raster.
Um etwas besser zu verstehen, wo die Wurzeln für den spirituellen Konsum liegen, sollten wir uns vielleicht die Konsumenten-Ausgangsbasis etwas näher anschauen. Die materialistische Welt hat eine Vorderseite und eine Rückseite. Die Vorderseite besteht, wie oben kurz angedeutet, im Fasziniertsein von Besitz, Expansion und Macht zwecks (so nicht zu erreichender) Ego-Stabilisierung. Die Rückseite enthüllt den Preis, der für diese Art einseitiger Ausrichtung zu zahlen ist: die innere Mangelsituation des einzelnen, die die ganze Gesellschaft durchdringt. Sie ist gekennzeichnet von Einsamkeit, der Empfindung innerer Leere und Ziellosigkeit, von einer allgemeinen Sinnkrise und dem Verfall ethischer Werte, von Ängsten, Schuldgefühlen und Mißtrauen, von übertriebenem Leistungs- und Perfektionsstreben, vom Auftreten von Depressionen, extremen emotionalen Schwankungen und oft auch von Antriebslosigkeit und Resignation. All diese Symptome bewirken, daß einerseits der Wunsch nach Erlösung von einer als unbefriedigend empfunden Situation und damit der Wunsch nach einer spirituellen Qualität sehr stark ist, andererseits aber hoffnungsvolle Ansätze, die von einer anfänglichen Begeisterung getragen sind, sehr schnell wieder abflachen und versanden, sobald die Sache anfängt, mühsam zu werden. Anstelle einer schrittweisen Entwicklung, die über lange Strecken hinweg keine sonderlich attraktiven Sensationen vermittelt, tritt dann der Konsum: ein neues Buch, ein neuer Duft von Räucherstäbchen und Duftölen, ein neuer Guru, eine neue Lehre oder Therapie, ein neuer, möglichst exotischer Name, ein neues Lebensgefühl, angenehme, tröstende, wärmende Gefühle, spirituelle Illusionen - das alles kann man einkaufen; der Reiz wird zwar schnell schal, aber der Markt ist ja groß genug.
Der derzeitige spirituelle Trend geht dahin, daß alle Religionen einen gemeinsamen Ursprung und ein gemeinsames Ziel haben. Daraus abgeleitet wird die Ansicht, daß man alles irgendwie gemeinsam praktizieren kann, ohne daß es zu Widersprüchen kommen darf. Diese Haltung ist natürlich auch eine Reaktion auf die rigiden Ansprüche derjenigen Religionen, die sich im Besitz einer alleinigen Wahrheit dünkten und ihre Gläubigen über Jahrhunderte hinweg mit ihrer Intoleranz terrorisiert haben. Viele spirituell interessierte Menschen im Westen sind daher oft so stolz auf die Einsicht, die im Anerkennen einer gemeinsamen Basis aller Religionen liegt, daß sie in ein anderes Extrem verfallen und einen großen Fortschritt darin sehen, sich gar nicht erst auf einen Weg festzulegen, sondern sozusagen auf breiter Front spirituell vorzurücken. Wenn man sie allerdings fragt, wie sie sich das im einzelnen vorstellen, schauen sie einen oft ratlos an. Jede Lehre enthält ja einen Übungsweg, der für den Praktizierenden oft auch unbequeme, schmerzliche Phasen beinhaltet. Wie würde man die durchstehen, wenn man bei jeder Gelegenheit, sobald die eine Lehre dem Ego zu nahekommt, locker auf einen anderen Pfad überwechseln könnte? Oder geht es gar nicht um einen Weg, geht es nur um angenehme Gefühle?
Wenn man hier weiterbohrt, kommen die Formeln, mit denen man nichts falsch machen kann: Buddha-Natur, das Hier und Jetzt, alles ist eins, gute Energien - und natürlich sind wir ja alle eigentlich schon erleuchtet. Welch ein Glück, das erspart uns eine Menge Arbeit … - Es entspricht dem Konsumdenken, aus allen Lehren die passenden Inhalte wie Rosinen aus dem Kuchen herauszupicken und sie auf bequeme, jederzeit verwendbare Schlagworte zu reduzieren. Obwohl solche Begriffe die herausgefilterte Essenz tiefer spiritueller Wahrheiten sind, verkommen sie - einseitig ausgewählt, beliebig zusammengefügt und falsch oder gar nicht praktiziert - zu unverbindlichen, austauschbaren Floskeln eines nichtssagenden Spiritual-Smalltalks, der nur eins zum Ziel hat: die mühelose Erzeugung angenehmer Gefühle. Warum sollte man sich auch plagen mit Praxis und Weg und Geistestraining und ethischer Disziplin und regelmäßiger Meditation, wenn doch alles schon so toll ist und es genügt, das einfach nur richtig zu sehen? Das mit dem richtigen Sehen kann doch so schwer nicht sein, könnte man denken - aber weit gefehlt. Bei der Beschreibung der angenehmen, schnellen, mühelosen Wege, die einem den direkten Zugriff auf die höchsten Bewußtseinszustände und die supertranszendenten Kicks vorgaukeln, wird leider oft das Kleingedruckte vergessen: Die Momenterfahrung der Erleuchtung ist tatsächlich möglich und sie wischt in einem Augenblick alle Mühseligkeiten der Vorbereitung hinweg, aber vor dieser Erfahrung gibt es eine lange, oft sehr staubige Wanderung. Es gibt intensive, dramatisch zugespitzte Praxisformen für diejenigen, die dazu fähig sind, aber keine Abkürzungen. Das, was wir heute sind, ist in seiner schmerzlichen Eingeschränktheit genauso real wie der Buddha, der wir sein werden; alles andere ist Augenwischerei und Aufforderung zum spirituellen Konsum.
Die seriösen Lehren wissen das und vermitteln es, wenn auch in unterschiedlicher Weise. Bei bestimmten Richtungen des Zen beispielsweise wird die Meditationshaltung mit der Erleuchtungserfahrung gleichgesetzt. Das ist ein sehr tiefgründiges Mittel, das dem Praktizierenden helfen soll, das Haften an den starren Konzepten über sich und die Welt aufzulösen. Dennoch wird nicht jeder Praktizierende, nachdem er einmal so gesessen hat, als Roshi bezeichnet - warum wohl? Spirituelle Schulungsmethode und realistische Einschätzung der Situation auf der relativen Ebene gehören zusammen und stellen keinen Widerspruch dar.
Genauso ist es beim tibetisch-buddhistischen Tantra, einem besonders traurigen Kapitel in der westlichen Konsumwelt. Die tantrischen Methoden sind Meditationstechniken, die dem Praktizierenden helfen sollen, mittels der Identifikation mit einer sogenannten Meditationsgottheit sein spirituelles Potential zu erwecken und zu verwirklichen. Sie erfordern eine gründliche Vorbereitung über Jahre hinweg, eine uneigennützige Geisteshaltung, eine disziplinierte Praxis und das Einhalten von Gelübden und vor allem eine enge Zusammenarbeit mit einem kompetenten Lehrer, der in einer ununterbrochenen Überlieferungslinie steht, um zum Erfolg zu führen. Wenn einer dieser Faktoren fehlt, erfährt der Praktizierende keine tantrischen Verwirklichungen, sondern bestenfalls … angenehme Gefühle.
Das Tantra ist unter anderem bekannt für seine sexuelle Symbolik. Meditationsgottheiten werden in Vereinigungshaltung dargestellt, was bestimmte Aspekte der höchsten Bewußtseinszustände symbolisiert, und es gibt (oder gab) auch eine Tradition, die einem über Jahrzehnte hinweg gründlich vorbereiteten Yogi durch die Praxis mit einer Partnerin die Erleuchtungserfahrung ermöglichte. Voraussetzungen dafür waren ein völlig enthaltsames Leben über lange Zeiten hinweg, die absolute Beherrschung der gröberen und subtileren Körper- und Geistfunktionen und die Fähigkeit, während der Übung mit einer Partnerin durch geistige Konzentration den Orgasmus zu vermeiden und stattdessen das Bewußtsein mit seiner ganzen Macht und Konzentration auf die Meditation zu richten.
Und was ist nun im Westen daraus geworden? Der Zynismus, mit dem tantrische Inhalt vermarktet werden, ist teilweise nicht mehr zu überbieten. Da werden Kurse mit tantrischen Partnerübungen angeboten, aphrodisierende tantrische Kräuter verkauft, in einer Münchner Diskothek zeigen leichtbekleidete Mädchen einen Tanz, in dem sie Vajra und Glocke (die wichtigsten Ritualgegenstände) verwenden und tantrische Positionen einnehmen, und jeder, dem der konventionelle Sex nicht mehr den rechten Lustgewinn verschafft, kann sich durch ein bißchen Tantra, Chakren, Energieströme aufpulvern lassen. Sich die angenehmen Gefühle mit diesem Tantra-Abklatsch zu verschaffen, ist ziemlich teuer, aber man gönnt sich ja sonst nichts …
Da bei diesen Angeboten überwiegend auf die buddhistisch-tantrische Symbolik zurückgegriffen wird, fällt das sozusagen in mein Fachgebiet. Daher kann ich ganz klar sagen, daß das nachgemachte „Tantra“, das dem Konsum von Sex und Power und besonderen Feelings in Verbindung mit einem spirituellen Touch dient, nichts mit dem echten Tantra zu tun hat, welches ein äußerst anspruchsvoller geistiger Übungsweg ist. Ich bin selbst verheiratet und Vater von zwei Kindern, aber es ist mir niemals in meinem Leben eingefallen, konventionelle Sexualität mit Tantra zu verwechseln. In letzter Zeit habe ich angefangen, mich auch verstärkt für die Praktiken und Ziele des hinduistischen Tantra zu interessieren, um herauszufinden, ob es hier vielleicht Ansatzpunkte für die westliche Vermarktung gibt. Aber bisher konnte ich nichts anderes feststellen, als daß das Tantra auch im Hinduismus ein ernstzunehmender Übungsweg für fortgeschrittene Praktizierende ist.
Nun noch ein paar Bemerkungen zu den Praktizierenden, die sich für einen Weg (in unserem Fall also für den tibetischen Buddhismus) entschieden haben und versuchen, ihr Leben entsprechend einzurichten. Auch hier kann die unbewußte Konsumentenhaltung zu einiger Verwirrung führen. Ich möchte dazu zwei Beispiele anführen, nämlich den Umgang mit den Lehrern und den teilweise penetranten Schulrichtungsfanatismus.
Der Umgang mit den Lehrern ist vielfach geprägt von Projektionen, die ihren Ursprung ganz deutlich in der eingangs beschriebenen psychologischen Ausgangsbasis haben. Die emotionale Mangelsituation wird oft in Form übersteigerter Wünsche und Ansprüche auf den Guru projiziert, der dann viel mehr sein soll als ein Führer und Helfer auf dem spirituellen Weg, nämlich eine Art Über-Vater oder Ideal-Partner. Um diesem Bild zu entsprechen, muß er zum allwissenden, fehlerfreien, übermenschlichen Buddha hochstilisiert werden.
Es gibt dazu - unglückseligerweise, möchte man fast sagen - im Tantra eine Entsprechung; ein tantrischer Lehrer wird dort vom fortgeschrittenen Praktizierenden im Zusammenhang mit bestimmten Meditationstechniken als Buddha betrachtet. Wenn jedoch Anfänger versuchen, das zu imitieren, und dabei die Ebenen verwechseln, kann nur ein heilloses Durcheinander entstehen. So kommt es vor, daß beispielsweise im Westen tibetische Lamas von vielen Praktizierenden in einer Weise kritiklos angebetet werden, wie das in Tibet niemals der Fall wäre. Die Tibeter sind dafür vielleicht einfach zu spottlustig und bodenständig. Sicher wurden und werden große Lehrer auch bei uns von Herzen verehrt, aber im Westen nimmt das manchmal Ausmaße an, daß man eigentlich schon von „Vergöttlichung“ reden muß. Auch Lamas, die nicht gut ausgebildet sind und unter Tibetern als äußerst umstritten gelten, oder Lamas, die schon lange tot sind und die ihre leidenschaftlichen Anhänger nie gesehen haben, die also von ihnen bestenfalls als indirekte Lehrer ihrer Überlieferungslinie betrachtet werden können, werden in einer manchmal fast hysterischen Weise völlig übertrieben verehrt, was sich, wie die Erfahrung zeigt, in verschiedener Hinsicht schädlich für die allzu hingebungsvollen Schüler auswirken kann. So gibt es beispielsweise das Phänomen, daß die Schüler des einen Gurus denen eines anderen spinnefeind sind, was ganz offensichtlich mit der Lehre des Buddha nichts mehr zu tun hat. Hier zeigt sich, wie der Drang, etwas zu bekommen, etwas zu konsumieren („mein Guru, der höchste von allen“), den gesunden Menschenverstand außer Kraft setzen kann. Ein derartiges Verhalten einem christlichen Priester gegenüber würde den gleichen Leuten wahrscheinlich völlig absurd vorkommen.
In ähnlicher Weise zeigt sich die Konsumentenhaltung, wenn es zu einer fanatischen und einseitigen Überbewertung der eigenen Schulrichtung kommt. Im Buddhismus wird ja der direkten Überlieferung vom Lehrer zum Schüler ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Infolgedessen werden von den Praktizierenden auch die Überlieferungslinien, soweit sie bekannt sind, hochgeschätzt. Auch sind durch große Meister, die bestimmte Aspekte der Lehre in besonderer Weise hervorgehoben und gelehrt haben, jeweils eigene Schulrichtungen entstanden. In Tibet hatten wir beispielsweise vier Haupt- und einige Unterschulrichtungen. Obwohl es vom Standpunkt der buddhistischen Lehre her keinen Grund gibt, irgendeine dieser Schulrichtungen den anderen vorzuziehen, ist es doch in Tibet leider immer wieder zu Unstimmigkeiten gekommen, was aber mehr mit Machtpolitik als mit Spiritualität zu tun hatte. Diese Fehlhaltungen wurden zusammen mit dem tibetischen Buddhismus in den Westen exportiert, und sie werden hier teilweise in bizarrer Weise übertrieben. Ein wichtiger Grund dafür ist in der Haltung eines Konsumenten zu suchen, der Wert darauf legt, daß das von ihm gekaufte Produkt das beste und wertvollste ist, das, mit dem er am meisten Prestige gewinnt und seine Nachbarn ausstechen kann. Ich kenne Leute im Westen, die - nachdem sie sich etwa seit einer Woche als Buddhisten bezeichnen - genau zu wissen glauben, daß allein ihre Schulrichtung die bedeutendste und reinste ist und daß die Angehörigen anderer tibetisch-buddhistischer Schulrichtungen von vornherein als Gegner anzusehen sind. Ein solches Denken findet man sonst eher bei politischen Parteien.
Einige von Ihnen werden jetzt vielleicht denken: „Was ist das denn für ein Lehrer, der an allem herummeckert und an nichts ein gutes Haar läßt?“ - Aber es geht mir nicht um das Kritisieren um des Kritisierens willen. Eine authentische spirituelle Praxis, beispielsweise des Buddhismus, dient dazu, uns selbst zu verändern und neue, positive Entwicklungen in Gang zu bringen, die nicht nur dem einzelnen Praktizierenden, sondern seiner gesamten Umwelt nutzen. Spiritueller Konsum dagegen ist einzig allein darauf ausgerichtet, den status quo zu erhalten und jede echte Weiterentwicklung zu vermeiden. Daher ist es für uns alle wichtig, ein Konsumdenken, da, wo es sich eingeschlichen hat, zu erkennen und aufzugeben. In diesem Sinne würde ich mich freuen, wenn meine Diskussionsanregung auf fruchtbaren Boden fallen würde. ■