Gewalt in buddhistischen Ländern: Zum Hintergrund der Konflikte in Burma, Sri Lanka und Thailand

Interview mit dem Tibetologen und Gründer von TibetInfoNet, Thierry Dodin

In letzter Zeit häuften sich Nachrichten in der Weltpresse, dass in buddhistischen Ländern wie Burma (Myanmar) und Sri Lanka Buddhisten mit Gewalt gegen muslimische Minderheiten vorgehen. Ist Gewalt gegenüber anderen Menschen schon schlimm genug, so kommt hier noch hinzu, dass diese Gewalt von buddhistischen Mönchen angestachelt wird, obwohl das fundamental gegen buddhistische Prinzipien wie das des Nicht-Verletzens und des Nicht-Tötens verstößt.

Als Folge der Ausschreitungen in Burma wurden Mitglieder muslimischer Minderheiten wie z.B. der Rohingya von Buddhisten getötet. Human Rights Watch spricht gar von „ethnischen Säuberungen“ in Burma, an denen burmesische Behörden, lokale Gemeindevorsteher und buddhistische Mönche beteiligt seien.¹

In Sri Lanka sollen Gefangene der tamilischen Minderheit gefoltert worden sein.² Die Bodu Bala Sēnā (BBS) – eine Organisation, die von Ordinierten geleitet wird – fordert eine gravierende Einschränkung der Rechte der muslimischen Bevölkerung. Dies zielt auf ihre Lebensführung ab und betrifft das rituelle halāl-Schlachten, also das Schächten ohne Betäubung, das Tragen des hijab, des Kopf- und Brustschleiers für Frauen, und die Gebetsaufrufe am frühen Morgen und spät in der Nacht.³

In Thailand soll es ähnliche anti-muslimische Aktionen durch Buddhisten geben. Andererseits aber auch – vor allem im Süden des Landes – Gewalt von Muslimen gegen Buddhisten. Es heißt, die Buddhisten dort, selbst die Mönche, bewaffneten sich.

Burma, Sri Lanka, Thailand – drei Länder, in denen Buddhisten die Mehrheit stellen und wo Gewalt gegen muslimische Minderheiten ausgeübt wird oder wo es gewalttätige Konflikte zwischen der Mehrheit und den Minderheiten gibt. — Müssen wir unser Bild vom „friedlichen Buddhismus“ korrigieren und auch einem „bösen, fremdenfeindlichen, mörderischen Buddhismus … ins Auge sehen“, wie es Georg Blume in der ZEIT postulierte?

Die Ursprünge der Konflikte

Tenzin Peljor: Sind die Konflikte, die im Sommer 2012 in Burma und in anderen Ländern Asiens ausbrachen, eigentlich neu oder fanden sie bisher nur keine Beachtung?

Thierry Dodin: Diese Konflikte sind nicht neu, in Burma gab es sie z.B. auch schon zu Zeiten der Militärregierung. Und es ist auch nicht so, dass sie nicht beachtet wurden – man hat sie nur sehr schnell wieder vergessen. Sie flammten immer mal auf, schwächten sich dann wieder ab: Es sind Symptome ungelöster Probleme! So lange diese bestehen, werden auch die Konflikte weiter bestehen.

In ihrer gegenwärtigen Form gehen sie in Burma und Sri Lanka hauptsächlich auf das 19. Jahrhundert zurück, auf die Zeit des Kolonialismus. Die Ursachen für diese Konflikte sind aber viel tiefer in der Geschichte verwurzelt. Nur der Konflikt in Südthailand hat keinen direkten Bezug zum Kolonialismus. Thailand war ja nie eine Kolonie.

TP: Wo liegt dann dort das Problem?

TD: Südthailand wurde von Thai-Königen erobert. Die lokale Bevölkerung aber besteht mehrheitlich aus Malaien, die ja Muslime sind. Ihr Verhältnis zum stark buddhistisch geprägten Nationalstaat Thailand ist, sagen wir mal, etwas problematisch. Der Kolonialismus spielte dabei nur indirekt eine Rolle und zwar über den Einfluß, den die Malaien in Malaysia, für die er prägend war, auf ihre Glaubensbrüder in Thailand ausübten. Kolonialismus ist hier also eher ein Begleitumstand. Die Animositäten zwischen Buddhisten und Muslimen sind im Allgemeinen viel alter. Das wird oft übersehen.

TP: Können Sie das näher erläutern?

TD: Buddhisten und Muslime haben in diesem Teil der Welt eine lange konfliktreiche Geschichte miteinander. Der Buddhismus war einst die vorherrschende Religion in Asien: Er erstreckte sich von Zentralasien bis nach Japan und vom südlichen Sibirien bis nach Indonesien. In der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends drang dann der Islam von Westasien Schritt für Schritt immer weiter nach Osten vor. Der größte muslimische Staat der Welt ist heute Indonesien, ein Land, das früher, ebenso wie Malaysia, buddhistisch und hinduistisch geprägt war. Denken Sie nur an die Tempelanlage von Borobudur. 

Auch weite Teile Zentralasiens waren buddhistisch, bis sich der Islam durch das Vordringen der Araber dort als religiöse Vormacht etablieren konnte. Länder wie das heutige Tadschikistan und Afghanistan – die Buddhastatuen von Bamyan! – waren einmal Hochburgen des Buddhismus. In Indien wird der Untergang des Buddhismus meist muslimischen Invasoren zugeschrieben. Allerdings wissen wir heute, dass die Geschichte viel komplizierter war. Man kann die Muslime nicht allein für das Verschwinden des Buddhismus dort verantwortlich machen, auch wenn sie (vor allem Afghanen und Turkstämme) für die physische Zerstörung der großen Klosterinstitutionen wie z.B. Nalanda verantwortlich waren.

Auf einer riesigen geografischen Fläche standen sich Islam und Buddhismus historisch gesehen praktisch immer als Gegner gegenüber. Vom 7. Jahrhundert an bis zum 16., 17. Jahrhundert verschwand der Buddhismus aus ganzen Landstrichen Asiens. Welche Gründe auch immer dazu geführt haben, sei dahingestellt – es ist einfach eine historische Tatsache! Sie hinterließ eine Bruchlinie, die noch immer das Verhältnis zwischen den beiden Religionen prägt.

Die Expansion des Islam geschah allerdings nicht überall in Form von Invasionen. In Indien und Zentralasien war zwar meistens Gewalt involviert, aber in Südostasien war es ein langsamer Prozess, der von den Hafenstädten ausging – Indonesien ist ja ein Inselstaat und Malaysia eine Halbinsel, und auch in Burma siedeln viele Muslime an der Küste. Es gab einen lebhaften Handel zwischen Ostasien und der muslimischen Welt insbesondere durch arabische Händler. Diese haben sich schon relativ früh in den Hafenstädten Südostasiens niedergelassen und Einfluss auf die umliegenden Gebiete ausgeübt. Dabei kam es in der Regel nicht zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.

TP: So verbreitete sich der Islam dort also friedlich und auf natürliche Weise über Inkulturation?

TD: Nun, es war mehr ein komplexer soziokultureller Prozess. Der Handel hat das maritime Südostasien und seine Gesellschaft transformiert.

Ein wichtiger, aber noch wenig erforschter Bereich ist die gesellschaftliche Stellung der Frau. In Südostasien scheint sie – besonders in präbuddhistischer Zeit – stärker gewesen zu sein. Von Indonesien bis zum heutigen Yunnan (China) findet man immer noch Spuren matriarchalischer Strukturen. In den Häfen hat aber eher die mobilere männliche Bevölkerung gearbeitet, die dann eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung des Islam spielte. So wurden der Buddhismus und auch die alten Volkskulte, die zum Teil mit ihm eine synergetische Verbindung eingegangen waren, allmählich durch einen sozial und ökonomisch vorangetriebenen Kulturwandel verdrängt.

Hinzu kommt, dass der Buddhismus generell keine Religionsform ist, die auf die Massen zugeht. Die buddhistischen Eliten, ob im Theravada, Mahayana oder Vajrayana – alle drei waren in Südostasien vertreten – kümmern sich nur wenig darum, ob das Volk die Belehrungen versteht. Der Buddhismus hat sich bei den Laien immer eher an gebildete und relativ wohlhabende Menschen gerichtet, die Zeit und Muße hatten, sich mit den großen metaphysischen Fragen – Leiden, Erlösung usw. – zu befassen. Für die Massen hat man volksreligiöse Formen wie die präbuddhistische Geisterverehrung toleriert oder gar indische Götter wie Brahma oder Ganesha eingeführt, die greifbarer waren. Andere Religionen – der Islam, der Hinduismus und das Christentum – sind in vielem volksnäher: sie geben dem Alltag der Menschen eine Struktur und stellen den Einzelnen in ein gesellschaftliches Koordinatensystem.

Rohingya No - Buddhistische Mönche Burma© AP Photo / Sakchai Lalit.

Die Motive der Konflikte

TP: Sind denn die gegenwärtigen Konflikte z.B. in Burma überhaupt religiös motiviert? Fast alle Medien haben das bisher suggeriert.

TD: Nein, das sind keine primär religiös motivierten Konflikte, sie sind ganz klar ethnisch-sozial bzw. durch den Wunsch nach Ausgrenzung motiviert. Nach dem nationalen Selbstverständnis der Mehrheit sind Burmesen Buddhisten. In Burma gibt es nicht nur Konflikte mit den Muslimen, sondern auch mit anderen Minderheiten, die eher christlich (oder animistisch) orientiert sind. Diese schwelen schon lange und verschärften sich durch die Einführung des Christentums unter den sogenannten Hill-Tribes, den Bergstämmen, die auf einem Großteil der Landesfläche im Norden leben. Um sich von den Buddhisten abzugrenzen, haben sie sich dem Christentum zugewandt, das die britischen Kolonialherren ins Land brachten.

Außerdem – bei gewaltsamen Konflikten leiden Minderheiten natürlich in besonderem Maße. Das heißt aber nicht, dass diese Minderheiten nichts zum Konflikt beigetragen hätten.  

TP: Inwiefern gehen die Konflikte hier von beiden Seiten aus?

TD: Zu einem Konflikt gehören immer zwei Parteien. So sind die Rohingyas in Burma zum Beispiel in bestimmten Wirtschaftsbereichen recht erfolgreich. Daraus resultiert zum einen, dass sie sich in gewisser Weise überlegen fühlen, und zum anderen, dass ihnen die Mehrheitsbevölkerung mit Misstrauen und oft sogar Neid begegnet. So haben sich die bislang schwersten Ausschreitungen in Burma am Fall eines muslimischen Goldhändlers entzündet, der einer verarmten buddhistischen Familie, die ihren Familienschmuck verkaufen wollte, einen Preis bot, mit dem sie nicht einverstanden war.

Es ist oft so, dass kleine Minderheiten entweder zu den Underdogs gehören oder aber sie geben sich elitär – und dieses Problem gab es auch mit Teilen der Rohingyas. Auch purer Rassismus spielt hier eine Rolle – auf beiden Seiten! Doch darauf komme ich noch zu sprechen. Von den britischen Kolonialherren wurde die Ansiedlung von muslimischen Händlern unter den Rohingyas teils ganz bewusst gefördert, teils durch Wegsehen ermöglicht. Kein Wunder, dass diese gerne mit ihnen kooperierten! Dazu kommt, dass ein Teil der Rohingyas – die genaue Zahl ist nicht bekannt – vor relativ kurzer Zeit illegal eingewandert ist, meist aus Bengalen. Auch das hat natürlich den Konflikte geschürt.

Die Situation erinnert stark an Südbhutan, wo sich unter den Nepalis, die dort schon seit langer Zeit ansässig sind, immer mehr Neuankömmlinge aus Nepal niederließen, weil in Bhutan die Lebensbedingungen besser waren als in ihrer Heimat. Das führte dazu, dass sich unter der einheimischen Bevölkerung eine immer aggressivere Stimmung gegen die Zuwanderer aufbaute, die so stark wurde, dass schließlich ein großer Teil der Nepalis vertrieben wurden – ganz gleich, ob sie schon mehrere Generationen dort gesiedelt hatten oder erst seit zwei Jahrzehnten. So etwas geschieht immer wieder: Wenn die Zuwanderung nicht vernünftig geregelt ist, entstehen Probleme, und am meisten leiden dann die darunter, die es nicht verdient haben.

Hinter einem ethnischen Konflikt stecken selten nur Fremdenhaß seitens der Mehrheit und eine elitistische Einstellung seitens der Minderheit. Meist gibt es eine vielschichtige Gemengelage aus Animositäten, Rivalitäten von Untergruppen, wirtschaftlichem Neid…, dann kommt ein Mangel an Rücksicht hinzu, an Wertschätzung und Respekt usw. All das trägt zum Entstehen solcher Konflikte bei. Oft ist es nur eine Handvoll von Scharfmachern, die die Stimmung aufpeitschen, doch es wird dann auf eine ganze Bevölkerungsgruppe übertragen – so funktioniert halt die Dynamik der Gesellschaft und des interkulturellen Lebens. Wenn dann nicht regulierend eingegriffen wird, geraten die Dinge schnell außer Kontrolle.

Aber damit kein Missverständnis aufkommt: Wer zerstört, plündert und prügelt, wer vergewaltigt und sogar mordet, der ist ein Verbrecher, welche „Rechtfertigung” er auch immer für sein Handeln vorbringen mag – und selbst, wenn er objektiv nachvollziehbare Gründe für seinen Zorn vorweist. Er muß gefasst und bestraft werden! Aber das ist sozusagen nur der palliative Aspekt. Parallel dazu muss man auch den tiefer liegenden Problemen auf den Grund gehen und sie thematisieren, sonst kommt man der Lösung keinen Schritt näher. Die Justiz allein kann keine gesellschaftlichen Probleme lösen. Probleme löst man an der Wurzel, nicht indem man die Symptome behandelt.

TP: Sind also wirtschaftlicher Erfolg auf der einen und Neid darauf auf der anderen Seite eher Ursache für Konflikte als die Religionsgehörigkeit?

TD: Wie gesagt, die Konflikte in Burma sind aufgrund von sozialen Spannungen entstanden. Hier geraten Volksgruppen aneinander, nicht Religionen, auch wenn  diese Gruppen ihre Identität über die Religion definieren. Die Kolonialherren haben die Antagonismen zwischen den einzelnen Volksgruppen ganz bewusst gefördert und für ihre Zwecke genutzt. Bestimmte Minderheiten oder Gesellschaftsschichten wurden bevorzugt, ganze Bevölkerungstransfers von einer Region zu einer anderen wurden durchgeführt, und häufig haben dann die Minderheiten das Spiel der Kolonialisten gespielt. Auch Libanesen, Juden oder italienische Einwanderer in Französisch-Algerien zum Beispiel hatten ein besseres Verhältnis zu den Kolonialherren als die arabische Bevölkerung und die Berber, die ja Muslime und auch die enorme Mehrheit waren. Das sind klassische Erscheinungen im Kolonialismus. Das alles muss erst einmal verarbeitet werden.

Ein ökonomisches oder ähnlich geartetes gesellschaftliches Ungleichgewicht entlang ethnischer Grenzen findet man sehr häufig. In solchen Fällen spielen, neben strukturellen Maßnahmen, die führenden Persönlichkeiten der jeweiligen Gemeinschaften eine Schlüsselrolle. Wenn sie kein Einvernehmen herstellen und nicht dafür sorgen, dass das Zusammenleben gut läuft, dann kommt es ganz schnell zu Ausbrüchen von Hass und Gewalt.

Das ist aber ein Prozess, der sich gegenseitig bedingt. Denken Sie nur an die schweren Ausschreitungen gegen die chinesisch-stämmige Minderheit in Indonesien in den 1990er Jahren! Diese machte zwar nur eine kleine Minderheit aus, aber sie war besser gebildet und besser gestellt als die übrige Bevölkerung und kontrollierte große Teile der Wirtschaft. Natürlich entsteht da Neid, aber auch zum Teil Arroganz …

Nun kann man aber die Situation in Burma und Sri Lanka nicht direkt damit vergleichen, schon weil die wirtschafliche Kluft nicht derart groß ist. Die psychologische Kluft aber ist hier umso größer.

TP: Aber religiöse Symbole spielen doch bei solchen Unruhen eine wichtige Rolle. Wird es dadurch nicht doch zu einem Religionskonflikt?

TD: Nein, selbst wenn es vordergründig um religiöse Zugehörigkeit und religiöse Symbole zu gehen scheint – eigentlich geht es um Herkunft und Status!

In Sri Lanka z.B. entzündete sich ein Konflikt um ‘halal’-Essen, also um “erlaubte” Speisen, die nach islamischem Recht zubereitet werden. Diese Regeln schreiben u.a. verbindlich vor, wie ein Tier geschlachtet werden muss. Nun, das geschieht in Ländern wie Sri Lanka auf eine Art und Weise, die nicht wirklich mit dem modernen Tierschutz vereinbar ist. Dass dies für Buddhisten ein Problem ist und sie es deshalb thematisieren, wäre verständlich. Nicht zu billigen ist hingegen, wenn sie daraus das Recht ableiten, Gewalt auszuüben. Außerdem ging es bei den Diskussionen keineswegs um Tierschutz  – inkriminiert wurde die Kennzeichnung der Speisen und Produkte! In einem buddhistischen Land wie Sri Lanka, so wurde argumentiert, sollten keine Nahrungsmittel auf dem Markt sein, die durch das Halalsiegel mit seinen arabischen Buchstaben eindeutig als muslimisch markiert seien. Hier geht es also nicht um Tierschutz und buddhistisches Mitgefühl für die abgeschlachteten Lebewesen – hier geht es umDominanz! Das hat etwas Faschistoides. Wie die Berufung auf das Lärmschutzgesetz, das im Westen lange  missbraucht wurde, um den Bau von Moscheen zu verhindern.

Es gibt jedoch auch Verhaltensmuster der anderen Seite, die zwar als religiös motiviert dargestellt werden, aber zu Konflikten geradezu einladen. So ist es meistens kein Problem, wenn muslimische Männer Frauen aus anderen Religionsgemeinschaften heiraten – auch wenn meistens verlangt wird, dass sie zum Islam übertreten und dass die Kinder als Muslime erzogen werden –, aber es ist extrem selten, dass muslimische Frauen in hinduistische oder buddhistische Familien einheiraten dürfen. Ich kann nicht beurteilen, ob der Koran dazu irgendetwas sagt oder ob es mit nicht-kanonischen Traditionen zu tun hat, die man ja in allen Religionen, einschließlich dem Buddhismus, findet, aber ich denke, man kann an diesem einfachen Beispiel sehen, wie Abgrenzungen und Konflikte entstehen können und wie soziale Asymetrien die dann zu solchen führen, bewusst geschaffen werden. Es ist schön und gut die Gleichheit aller Menschen vor Gott zu proklamieren, doch zur Einschätzung der realen Lage und um Spannungen zu verstehen. muß man aber auch die sozialen Realitäten zur Kenntnis nehmen. Sonst argumentiert man im luftleeren Raum.

Nennen muss man in diesem Zusammenhang auch die Orthodoxierung des Islam, die im Zusammenhang mit dem Kolonialismus stattfand. In vielen Gegenden Asiens war der Islam bis ins 20. Jh. – und ganz im Gegensatz zu dem Bild, das man heute im Westen von ihm hat – eine durchaus flexible Religion, die es verstand, sich harmonisch dem lokalen kulturellen Umfeld anzupassen. Als aber Religionsschüler in den Mittleren Osten gingen und die dortigen Koranschulen besuchten, lernten sie eine strenge, deutlich intolerantere Version des Islams kennen, zum Beispiel die der Wahabiten, die den Anspruch erheben, den authentischen Islam zu vertreten. Ihre Vormachtstellung geht übrigens auch auf Machtspiele der britischen Kolonialherren zurück. Unter dem Einfluss dieser rigiden Lehren haben die Muslime dann, wenn sie in ihre Heimat zurückkehrten, den lokalen Islam oft völlig transfiguriert. Man kann es sich kaum noch vorstellen, aber in weiten Teilen Indonesiens trugen bis zum 2. Weltkrieg viele Frauen keine Oberbekleidung.

Wenn man also die Konflikte verstehen will, wenn man sie dauerhaft lösen will, dann muss man diese Zusammenhänge kennen und erkennen.

TP: Sie sprachen auch Rassismus an …

TD: Ja, dieser Aspekt des Konflikts ist völlig aus dem Blickwinkel geraten, dabei halte ich ihn für sehr wichtig, besonders was Burma betrifft. Bengalen und die Burmesischen Königreiche sind seit jeher sozusagen Frontstaaten, sie befinden sich historisch gesehen am südöstlichen Ende einer Trennlinie, die im Prinzip in Zentralasien beginnt, der ganzen Himalayaregion folgt  – man denke z.B. an Nepal – und dann endet. Sie trennt Asien nach physischen Merkmalen in zwei Teile. Im Norden und Osten dieser Linie leben vorwiegend Menschen mongolischen Typs und im Süden und Westen, eben Süd-, bzw. Westasiaten.

Dies ist eine wichtige Trennlinie, nicht nur sozio-kulturell, sondern auch was gegenseitige Wahrnehmungen aufgrund der äußeren Erscheinung angeht. Damit gehen ästhetische Empfindungen einher, irrationelle Vorbehalte, negative Zuschreibungen, Urängste gegenüber ‘dem Anderen’, Überlegenheitsgefühle, Intoleranz etc. Kurzum, schierer unaufgeklärter Rassismus! Viele Menschen in Bengalen und anderen Teile Südasiens empfinden die kürzeren Nasen, die kleinen Augen und die gewöhnlich flacheren Gesichter der Ost- und Südostasiaten als häßlich. Umgekehrt finden diese die dunkle Haut, die stärkere Pilosität etc. der Südasiaten abstoßend.

Diese physischen Unterschiede werden dann vermengt mit ethnozentrischen und kulturellen Vorbehalten, mit denen sie, objektiv betrachtet, natürlich nichts zu tun haben, und mi Identitäts-Prozessen. Viele Auseinandersetzungen in der Region haben auch damit zu tun. Dies schwingt stark mit bei so entfernten Gebieten wie Afghanistan und dem indischen Nordosten, Assam, Nagaland, Meghalaya... Sehr deutliche Hinweise auf Rassismus sind in den historischen Auseinandersetzungen zwischen Bengalen und Burma spürbar und sie schwingen auch in der Rohingya-Frage mit.

Ich betone noch einmal, es handelt sich dabei um Rassismus auf beiden Seiten. Hier hilft nur Aufklärung! Religiöse Differenzen werden immer in den Vordergrund gestellt, aber das ist nur die Oberfläche. Der Konflikt liegt viel tiefer. Dieser Aspekt wird gegenüber Drittparteien nicht allzu sehr in den Vordergrund gestellt, dafür ist er um so stärker – mal explizit, mal implizit – im internen Diskurs beider Seiten verankert. Wer dieser Aspekt ignoriert, wird den Konflikt nicht verstehen – und damit auch nicht lösen können.

TP: Aber Sri Lanka liegt doch sehr weit entfernt dieser Trennlinie …

TD: Das stimmt. Dieser Aspekt spielt dort auch keine Rolle. Allerdings sind auch in Sri Lanka rassistische Vorbehalte tief verwurzelt und zwar in erster Linie im Konflikt zwischen Tamilen und Singhalesen.

TP: Und was ist mit Thailand?

TD: Nun, auch hier hat der Gegensatz Malaien – Thai sehr deutliche rassische bzw. rassistische Konnotationen, aber sicher nicht in derselben Intensität wie in Burma oder Sri Lanka.

Gewalt und Buddhas Lehre – Buddhismus als Identität

TP: Noch einmal zurück zu Burma. Lässt sich die Gewalt seitens der Buddhisten dort mit den Lehren des Buddha rechtfertigen?

TD: Grundsätzlich nicht! Die buddhistische Ethik ist weder rigoros noch setzt sie sich als absolut, sondern sie leitet sich vom Zusammenhang von Ursache und Wirkung ab und fügt die Umstände und die Psychologie, insbesondere die Motivation, die einer Handlung zugrunde liegt, hinzu. Nichts gilt ein für alle Mal, jeder Einzelfall ist neu zu prüfen. Grundsätzlich aber gilt, dass Gewalt negatives Karma und Leid mit sich bringt und mehr Probleme schafft, als sie löst. Aber es gibt auch Grenzfälle, in denen Gewaltanwendung als legitim gilt und angewandt werden kann, ja sogar muss, z.B., um größeres Übel abzuwenden. Der Buddhismus geht sehr geschickt und flexibel mit den klassischen moralischen Dilemmas um, und seine Einstellung zur Gewalt hat viel mit dem gesunden Menschenverstand zu tun.

Allerdings ist die Gewalt, über die wir hier sprechen, die in Burma und Sri Lanka, in keiner Weise mit den Lehren des Buddha zu rechtfertigen. Hier geht es um Gruppenego, um den Zusammenstoß zwischen verschiedenen Volksgruppen. Dem Buddhismus zufolge sollte man ein Problem erkennen, daran arbeiten und es dann lösen, aber eben nicht mit Gewalt! Hassreden sind mit der Ordensdisziplin für Mönche, dem Vinaya, nicht vereinbar. Interessant ist, dass die Gewalt bisher auch nicht mit buddhistischen Glaubensbekenntnissen gerechtfertigt wird, sondern immer mit sozialen Begründungen wie „die muslimische Bevölkerung wächst zu schnell“ oder „die Muslime nehmen uns unsere Frauen weg“ etc.

Wie sehr man den Buddhismus auch schätzen mag, muss man doch erkennen, dass Buddhisten nicht unbedingt die besseren Menschen sind. Wo immer der Buddhismus zum festen Bestandteil von Kulturen geworden ist, wurde auch er für Identitätsstiftung, für Gruppenegoismus und Nationalismus der schlimmsten Art missbraucht. Dabei basiert der Buddhismus auf Reflexion und Einsicht in komplexe Zusammenhänge und nicht auf der Konstruktion von Identitäten, die danach trachten, sich von anderen Identitäten abzugrenzen, die man dann zerstören und niedermachen muss. Wer das tut, missbraucht den Buddhismus!

Gegenstimmen von Buddhisten

TP: Gibt es viele buddhistische Mönche in Burma, die Gewalt gegen Minderheiten bzw. Muslime unterstützen? Gibt es auch Gegenstimmen von Buddhisten oder Gegenbewegungen?

TD: In Burma ist die Lage verworren. Die Mönche, die Gewalt gegenüber Muslimen predigen, sind eine kleine Minderheit. Aber die Frage ist natürlich immer, wie einflussreich diese kleine Minderheit ist. Gäbe es keine Probleme und keine Unterstützung durch Teile der Bevölkerung, könnte diese Minderheit auch nichts bewerkstelligen. Ein entschiedenes, kraftvolles Veto, das diesen Mönchen Einhalt gebieten könnte, kann in solch einem Land allerdings nur von anderen buddhistischen Mönchen kommen. Die Staatsmacht wird für Ordnung sorgen, aber mit den Mönchen wird sie sehr vorsichtig umgehen, weil die Gesellschaft sie so hoch verehrt. Mit anderen Worten: Die Hassreden schwingende Minderheit im Sangha kann nur dann wirksam in Schach gehalten werden, wenn die Mehrheit der Mönche Verantwortung übernimmt, ihre Autorität einsetzt. Das ist meiner Ansicht nach ein entscheidender Faktor bei der Lösung des Konfliktes auf buddhistischer Seite.

In Sri Lanka findet das auch versuchsweise statt. Da gibt es Laiengruppen und Mönchsgruppen, die sich gegen die rechtsextremen Strömungen, gegen die Stimmungsmache gegen Muslime richten. Das Problem ist dort ein anderes, nämlich, dass es eine Regierung bzw. eine Regierungspartei gibt, die in hypernationalistischer Weise die singhalesische Identität herausstellt – und die gut davon lebt! Hier ist gezielt internationaler Druck von Nöten. Die Tamilen, die überwiegend Hindus sind, waren die Erbfeinde. Das geht tief in die Geschichte zurück und hat auch wieder mit der Kolonialzeit zu tun, als Tamilen aus anderen Ländern und Regionen ins Land gebracht wurden. Mit dem militärischen Sieg über die Tamilen hat man sie nun unter Kontrolle. Jetzt richten sich die Gewalt und der Nationalismus gegen die Muslime, und de facto wird das vom Staat begünstigt.

Die Rolle der Regierungen und von buddhistischen Autoritäten in den Konflikten

TP: Wie verhalten sich die Regierungen in diesen drei Ländern angesichts der Konflikte?

TD: In allen drei Ländern hat die jeweilige Regierung oft nicht genug getan, um die Konflikte zu beenden. Die Thais scheinen jetzt alles etwas besser in den Griff zu bekommen. Die gegenwärtige Regierungspartei ist zwar höchst populistisch, konnte sich aber bei den Wahlen auch stark auf Stimmen der Minderheiten stützen. Unter diesen Umständen ist ihr also eher daran gelegen, die Konflikte auf kluge Weise einzudämmen, und damit kommt sie momentan relativ gut voran. Man wird sehen, wie es weitergeht.

In Sri Lanka ist es ganz anders, dort gibt es, wie ich schon sagte, eine ganz klare Förderung und Unterstützung von Extremisten durch die Regierung. Hier wäre ein intenationales Einwirken auf staatlicher Ebene dringend geboten.

In Burma ist die Situation diffus. Es gibt bisher keine konkreten Beweise dafür, dass auch dort regierungsnahe Mönche aktiv vom Staat unterstützt würden – auch wenn dies immer wieder behauptet wird. Die staatlichen Stellen schauen häufig weg, das stimmt, und, auch das ist richtig, sie sind mit Buddhisten besetzt. Aber die Entscheidungen werden jeweils auf lokaler Ebene getroffen, das Vorgehen wird nicht zentral koordiniert. Man erkennt hier keine direkte Verbindung zwischen regierungsnahen Gruppen und denen, die Gewalt verbreiten. Und auch wenn die Regierung in der Vergangenheit gegen die Rohingyas hetzte, so unterstützen die gegenwärtigen Machthaber weder die Forderungen der Extremisten nach dem Verbot von Ehen zwischen Muslimen und buddhistischen Frauen noch eine Geburtenkontrolle für Muslime.

TP: Wie kann sich ein einzelner burmesischer Mönch wie Ashin Wirathu als Führer einer solchen Bewegung aufschwingen, ohne dass ihn seine Glaubensbrüder oder eine buddhistische Autorität stoppen?

Anshin Wirathu

TD: Nun, der Buddhismus ist eine ziemlich anarchische Religion, Klöster genießen hohe Autonomie. Es gibt kaum übergreifende Organisationen und wenn, dann haben sie keine wirkliche Macht, sind untereinander uneins... Es gibt keine von allen akzeptierte Autorität, die über den ganzen Sangha herrscht und verbindliche Regeln aufstellen und Weisungen geben könnte.

Der Dalai Lama z.B. hat gesagt, dass Töten im Namen der Religion „undenkbar“ sei und im Dezember 2012 haben sich 18 renommierte buddhistische Persönlichkeiten aller Traditionen, unter ihnen der Dalai Lama, Thich Nhat Hanh, Bhikkhu Bodhi, Harada Roshi und Dr. A.T. Ariyaratne, in einem offenen Brief an das burmesische Volk gewandt, zum Frieden aufgerufen und die buddhistischen Prinzipien der Gewaltlosigkeit, des Mitgefühls und der Fürsorge beschworen, aber solche Aussagen hätte viel mehr Kraft, wenn sie von burmesischen Mönchen selbst kämen. Mancher Mönch wird schon aus dem Kloster geworfen oder zeitweilig verbannt, weil er zu lange mit einer Frau gesprochen hat! Man kann nur wünschen, solche Strenge würde auch gegenüber Hasspredigern wie U Wirathu angewandt. Die Ordensregeln verbieten ja schon, schlecht über Dritte zu reden.

Dazu kommt aber auch, dass in der Presse kaum berichtet wird, wenn mal etwas Positives geschieht. Ruft aber ein buddhistischer Mönch zum Töten von Muslimen auf oder zur Vertreibung aus dem Land, dann geht das durch alle Medien. Das ist ein Problem unserer modernen Zeit: Ausschlaggebend für die Verbreitung von Fakten ist nicht deren Repräsentativität sondern ihre mediale Wirkung. Schließlich muss die Quote stimmen! Hier müssten diejenigen unterstützt werden, die positiv auf die Konflikte einwirken können, und man müsste denen eine größere Plattform geben, die das tun.

Gewalt und Gegengewalt

TP: In Südthailand gibt es Konflikte mit 5.000 Toten. Es heißt Mönche seien dort geköpft oder auf dem Bettelgang durch gezielte Bombenattentate getötet worden.

TD: Ja, das hat es geben, schwere Attacken auf buddhistische Mönche und Klöster – aber ich kenne nicht alle Details. Als muslimischer Malaie fühlt man sich im buddhistischen Thailand immer wieder an den Rand gedrängt, und das kommt nicht gut an. Hier wäre auch zu untersuchen, ob nicht der Staat den Buddhismus auf wenig sensible Art in Regionen gefördert hat, in denen mehrheitlich Muslime leben, denn es gibt ein Element, das höchst problematisch ist: die strukturelle Ausgrenzung von Thais, die keine Buddhisten sind. Diese Ausgrenzung nimmt ein Teil der Muslime zum Anlass zu revoltieren – gewaltsam und gut organisiert. Es ist keine spontane Gewalt der Straße, die oft aus Protestaktionen entsteht, diese Gewalt ist gelenkt. Sie geht von einigen malaiischen Gruppen im Süden aus, die wahrscheinlich genauso wenig die Mehrheit der malaiischen Bevölkerung Thailands vertreten, wie es die rechtsextremen buddhistischen Mönche in Burma und besonders in Sri Lanka tun.

In allen drei Ländern, Burma, Sri Lanka und Thailand, ist der Buddhismus oder die Tatsache, Buddhist zu sein, eine nationale Angelegenheit. Als Nicht-Buddhist – und das trifft auf Muslime, Christen und Hindus gleichermaßen zu – kann man sich sehr schnell als Bürger zweiter Klasse fühlen. Es ist die Pflicht eines modernen Staates, dafür zu Sorgen, dass Menschen anderer Glaubensrichtungen und ihre Gemeinschaften respektiert und nicht drangsaliert werden.

TP: Im letzten Jahr hat es Anschläge gegen Buddhisten in Bangladesh gegeben und Anfang Juli 2013 einen Bombenanschlag mit zwei Toten in Bodhgaya (Indien). Sehen Sie hier einen Zusammenhang mit der Gewalt in Burma und in Sri Lanka?

TD: Eindeutig ja! Schon deshalb, weil die Täter in Bangladesh ausdrücklich darauf hingewiesen haben, sie nähmen Rache für die Rohingyas. Die Buddhisten der Chittatong Hills im Südosten von Bangladesh, um die es hier geht, wurden Bangladesh bzw. dem damaligen Ostpakistan zugeschlagen, weil sie in der Kolonialzeit, obwohl geographisch weit entfernt, von Bengalen aus regiert wurden – wieder haben wir hier eine Erbschaft aus dieser Zeit.

Es hat in der Vergangenheit schon Spannungen mit dem Staat gegeben, aber nicht zu vergleichen mit den Überfällen von 2012, wo Tempel in Brand gesetzt wurden etc. Wir haben schon davon gesprochen, dass die Rohingyas von burmesischen Buddhisten pauschal als bengalische Einwanderer abgestempelt werden, was historisch und sachlich so nicht gerechtfertigt ist. Dass aber bengalische Muslime in Bangladesh Buddhisten überfallen als Racheakt für Überfälle von burmesischen Buddhisten auf Rohingyas, zeigt ganz deutlich, dass zwischen den Muslimen aus Bengalen und einem Teil der Rohingya-Muslime ein starker Identitätsbezug besteht – und genau dieser Teil von ihnen ist offenbar auch der militante Teil! Das stärkt jedoch die Rohingyas nicht, sondern ist Wasser auf die Mühlen der buddhistischen Extremisten in Burma, die die Rohingyas pauschal als ‚Ausländer’ abstempeln. Hier zeigt sich wieder, dass der Konflikt nur beigelegt werden kann, wenn Extremisten auf beiden Seiten wirksam in Schach gehalten werden. In der jetzigen Situation profitieren nur die Extremisten vom Konflikt – alle anderen müssen leiden.

Der Fall von Bodhgaya überrascht zunächst einmal. Spannungen, aber nicht religöser Natur, hat es bisher nur mit Hindus gegeben. Soweit ich weiß, gibt es noch keine eindeutigen Belege, dass muslimische Gruppen hinter dem Anschlag stecken, aber es deutet alles darauf hin. Nicht zuletzt weil mehrere Gruppen solche Anschläge auf buddhistische Ziele angekündigt hatten. Technisch betrachtet war der Anschlag nicht besonders ausgefeilt – das könnte eher beruhigend sein. Aber wenn man bedenkt, dass neun Bomben auf einmal gezündet wurden, zeugt das von bitterem Hass, vom festen Willen, unbedingt jemanden töten zu wollen – und das ist natürlich sehr gefährlich. Und zwei Menschen sind ja auch dadurch umgekommen.

Es wurden auch schon Anschläge auf den Dalai Lama angekündigt.

Was beide Fälle – Bangladesh und Bodhgaya – gemeinsam haben, ist, dass hier Anschläge auf völlig unbeteiligte Menschen verübt wurden und zwar an Orten, wo es bisher keinerlei derartige Auseinandersetzungen gab. Die Chittatong-Buddhisten haben bisher friedlich mit ihren muslimischen Nachbarn gelebt, und diese haben sich auch gegen die Anschläge ausgesprochen. Das heißt, die Attentäter kamen von außen, nicht aus der Region! Hier werden also Menschen und Orte angegriffen, einzig weil sie den Stempel ‚Buddhismus’ tragen, und von Menschen, die niemals etwas mit ihnen zu tun hatten. Es gibt keine Übergriffe in der Vergangenheit, die dafür als Rechtfertigung dienen könnten.

Damit bekommt der Konflikt eine ganz neue Dimension, und das ist wohl auch die Absicht, die dahinter steckt. Wer das tut, der versucht ganz bewusst, regionale Sozialkonflikte, bei denen die Religion nur ein Aushängeschild ist, zu einem Religionskonflikt mit weit reichender Bedeutung umzudeklarieren und zu schüren. So werden Menschen zum Spielball von Machtinteressen extremistischer Gruppen.

TP: Ich danke Ihnen für das Gespräch.  ■


Fußnoten

¹ HRW, 22 April 2013: Burma: End ‘Ethnic Cleansing’ of Rohingya Muslims Unpunished Crimes Against Humanity, Humanitarian Crisis in Arakan State

² The Guardian, 23 März 2013: Sri Lanka accused of ongoing torture and abuse of Tamil prisoners Calls for UK to withdraw from Commonwealth summit in Colombo as report claims brutal human rights violations by state

³ Buddhicizing or Ethnicizing the State: Do the Sinhala Sangha Fear Muslims in Sri Lanka? – Suren Rāghavan, Journal of the Oxford Centre for Buddhist Studies

BBC News, 1. Mai 2013: Why are Buddhist monks attacking Muslims? – Alan Strathern (Oxford University)

Newsweek Magazin, 16. April 20012: Thailand’s Buddhists Take Up Arms Against Insurgency

ZEIT Online, 25. Mai 2013: Der Zorn der Mönche: Buddhisten töten in Myanmar hilflose Muslime – und der Westen muss sein Bild vom guten Buddhismus korrigieren.

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Thierry Dodin

Thierry Dodin wurde 1960 in Paris geboren. Er studierte Tibetologie, Ethnologie und Religionswissenschaft. Seine Schwerpunktthemen sind Kulturgeschichte, moderne Geschichte sowie soziale, politische und ökologische Fragen in Tibet und den Himalayaländern, sowie in den Ländern des buddhistischen Kulturkreises. Seit 1990 hat er dazu verschiedene Forschungsprojekte durchgeführt sowie zahlreiche Bücher und Fachartikel publiziert und internationale Konferenzen organisiert. Zuletzt leitete er ein Forschungsprojekt über die Globalisierung des tibetischen Buddhismus. Er wirkte auch an verschiedenen Entwicklungsvorhaben in Tibet mit. Seit 2001 ist er Direktor des Informationsdienstes TibetInfoNet mit Sitz in London. Siehe: www.tibetinfonet.net

© www.info-buddhismus.de

Das Interview wurde von Tenzin Peljor geführt und von Monika Deimann-Clemens bearbeitet. Ein Auszug dieses Interviews wurde unter dem Titel Burma – Gewalt im Namen des Buddha? in Buddhismus aktuell, Ausgabe 4, 2013, S. 32–37 veröffentlicht.